BOP Collection

Vorwort

Lieber Ueli, liebe Leserinnen und Leser,

es ist ein seltenes Glück, einem Menschen zu begegnen, der Wissenschaft mit so viel Engagement, Tiefe und Menschlichkeit lebt wie Ueli Hostettler. Diese Festschrift ist Ausdruck unserer grossen Wertschätzung für sein wissenschaftliches Werk – und zugleich ein Dank für das, was er als Kollege, Mentor, Forscher und Mensch für uns und viele andere bedeutet.

Uelis beruflicher Weg beginnt 1981 mit dem Erwerb des Primarlehrerpatents im Kanton Bern – ein erster Hinweis auf sein lebenslanges Interesse an Bildungsprozessen und sozialen Kontexten. Zehn Jahre später, 1991, schliesst er sein Lizentiat in Ethnologie mit Nebenfächern in Neuerer Geschichte und Allgemeiner Sprachwissenschaft an der Universität Bern ab. Früh zieht es ihn in die Welt hinaus: 1987/88 studiert er an der Escuela Nacional de Antropología e Historia (ENAH) sowie an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) in Mexiko-Stadt. Sein Denken, das kulturelle Unterschiede nicht nur beschreibt, sondern in ihrer sozialen Verankerung begreifen will, wird dort gefördert.

Nach seiner Promotion in Sozialanthropologie im Jahr 1996 – ausgezeichnet mit summa cum laude – beginnt eine intensive Phase der internationalen wissenschaftlichen Weiterbildung: Post-Doc-Aufenthalte an der University of Florida, dem University College of Belize und am Institute for Latin American Studies der University of Texas at Austin vertiefen seinen Blick für globale Zusammenhänge. Bereits 1994/95 hatte er als Professor (Titular A) am renommierten Centro de Investigaciones y Estudios Superiores en Antropología Social (CIESAS) in Mexiko gelehrt.

Zwischen 1995 und 2005 ist Ueli in verschiedenen wissenschaftlichen Positionen am Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern tätig, bevor er 2006 an die Universität Freiburg i.Ü. wechselt, wo er bis 2014 als Oberassistent im Bereich Soziologie, Sozialpolitik und Sozialarbeit wirkt. An der Universität Bern kommt Ueli im Rahmen des SNF-Projekts «Ausländer:nnen im geschlossenen Strafvollzug» ab 2003 zum ersten Mal in forschender Weise mit der Thematik des Justizvollzugs in Kontakt. Aus diesem ersten Kontakt entspringt ein langjähriges produktives und innovatives Forschungsinteresse. Dieses kann er zuerst an der Universität Freiburg i.Ü. mit verschiedenen Auftragsforschungen sowie Projekten der Grundlagenforschung festigen.

Nach seiner langjährigen Tätigkeit an der Universität Freiburg kehrt Ueli 2015 an die Universität Bern zurück – an das Institut für Strafrecht und Kriminologie der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Dieser Wechsel markiert nicht nur eine örtliche Rückkehr an seine akademischen Wurzeln, sondern auch eine entscheidende Weichenstellung: Mit der institutionellen Verankerung der von ihm aufgebauten Prison Research Group an der Universität Bern gelingt es ihm, das über Jahre aufgebaute Forschungsnetzwerk zu verstetigen und nachhaltig weiterzuentwickeln.

Die Prison Research Group ist heute ein anerkanntes Zentrum für interdisziplinäre Forschung zum Freiheitsentzug in der Schweiz und darüber hinaus. Sie bündelt empirische Vollzugsforschung, verbindet qualitative und quantitative Methoden, führt gross angelegte Gefangenen- und Personalbefragungen durch, widmet sich Themen wie Übergangsmanagement, sozialer Integration und Vulnerabilität im Strafvollzug – stets mit dem Fokus auf Menschenwürde und Systemreflexion. Dass diese Gruppe heute ein solches Gewicht hat, ist zu einem grossen Teil Uelis vorausschauendem Aufbau, seiner integrativen Führung und seiner wissenschaftlichen Substanz zu verdanken, die nicht zuletzt durch umfangreiche externe Forschungsförderung gewürdigt worden ist.

Parallel dazu prägt Ueli über viele Jahre auch die pädagogische Landschaft in der Schweiz. Seit 2007 ist er Professor an der Pädagogischen Hochschule Bern, wo er ab 2016 das Schwerpunktprogramm «Governance im System Schule» leitet – ein weiteres Beispiel für seinen interdisziplinären Ansatz, sein bildungspolitisches Engagement und seine Fähigkeit, strukturelle Fragen mit praktischen Lösungen zu verbinden.

Inmitten dieser intensiven Forschungstätigkeit gelingt es Ueli, 2016 an der Universität Bern seine Habilitation erfolgreich abzuschliessen und die venia docendi für Sozialanthropologie zu erhalten – ein Ausdruck seiner wissenschaftlichen Exzellenz und seines langen Atems.

Uelis Publikationen zeugen von wissenschaftlicher Tiefe und gesellschaftlicher Relevanz. Neben dem Standardwerk zum Strafvollzug: Straf- und Massnahmenvollzug an Erwachsenen in der Schweiz (mit Andrea Baechtold & Jonas Weber, 2016) hat Ueli unzählige Publikationen zu sensiblen Themen des Straf- und Massnahmenvollzugs verfasst (Ausländer:innen, Alter und Sterben, Lebens- und Arbeitsbedingungen, Bildung, Arbeitsagogik, Führung, Gewalt, Electronic Monitoring, Disziplinarwesen, Kinder, Übergangsmanagement etc.). Bei seinen schulbezogenen Publikationen stehen Fragen zur Steuerung und Organisation von Schule, zu schulischer Führung, zur Schulsozialarbeit sowie zu Bedingungen guter Arbeit an Schulen- insbesondere unter herausfordernden Kontexten – im Vordergrund. Damit zeigt sich Uelis übergreifendes Interesse für Institutionen, in denen Menschen unter besonderen strukturellen Bedingungen leben, lernen oder arbeiten, und für die Frage, wie sich diese Räume gerecht, unterstützend und menschenwürdig gestalten lassen.

Doch was sich nicht in Listen oder Lebensläufen ausdrücken lässt, ist vielleicht das Wertvollste: Uelis Art. Wer mit ihm arbeitet, weiss um seine ruhige Präsenz, seine uneitle Klugheit, seine beständige Verlässlichkeit, seine radikale Freundlichkeit und seinen Mut zum Hinschauen. Er hört zu und er fragt nach, auch bei unbequemen und sensiblen Themen. Er sieht Menschen – mit all ihren Ressourcen, Brüchen, Potenzialen. Und er schafft Räume, in denen wissenschaftliches Denken und menschliche Begegnung zusammenkommen.

In einer akademischen Kultur, die zunehmend von Wettbewerb, Bewertung und Beschleunigung geprägt ist, verkörpert Ueli etwas anderes: eine Wissenschaft, die auf Substanz setzt statt auf Oberfläche. Die fördert, statt zu verengen. Die begleitet, statt zu dominieren. Better Science, lange bevor es diesen Begriff gab.

Dass wir zur Ehrung eines solchen Kollegen, Menschen und Mentors eine Festschrift gestalten wollten, stand für uns Herausgeber:innen ausser Frage. Ebenso für die weiteren Autor:innen aus Wissenschaft und Praxis, alles Wegbegleiter:innen von Ueli, die umgehend zugesagt haben. Für die konkrete Umsetzung des Projekts jedoch durften wir auf die grossartige Unterstützung weiterer Menschen zählen. Ein besonderer Dank gilt unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin und Doktorandin MLaw Thea Keune für ihren überaus grossen und engagierten Beitrag zur Realisierung dieser Festschrift. Ihre präzise, verlässliche und ausgesprochen gewissenhafte Arbeit bei der Redaktion und Koordination – stets mit Blick auf Fristen, Sorgfalt im Detail und gelingende Kommunikation – war von unschätzbarem Wert. Wir hatten mit ihr ein professionelles Lektorat an unserer Seite!

Ebenso danken wir Bern Open Publishing herzlich für die Möglichkeit, die Festschrift in diesem Rahmen zu veröffentlichen. Wir schätzen das Projekt sehr und sind dankbar für die grosse Unterstützung. Die Zusammenarbeit mit Elio Pellin (Universität Bern, Bern Open Publishing 2025, https://bop.unibe.ch) sowie mit Arthur Höring (SciFlow GmbH, www.sciflow.net) war jederzeit konstruktiv, zugewandt und hochprofessionell – wir danken ihnen allen sehr.

Lieber Ueli, diese Festschrift ist Ausdruck unserer tiefen Verbundenheit mit Dir und Deiner Arbeit. Du hast geprägt, ermöglicht, inspiriert – und vor allem: Du hast gestaltet. Nicht laut, nicht plakativ, sondern nachhaltig, mit Haltung und Herz.

In grosser Hochachtung und tiefer Dankbarkeit

Bern, im Juni 2025

Anna Isenhardt, Irene Marti, Ineke Pruin, Marina Richter und Jonas Weber