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doi.org/10.36950/edv-umb-2025.05
Frieder Dünkel u. a.

Restorative Justice im Strafvollzug im europäischen Vergleich

Abstract

Restorative Justice rückt zunehmend in den Fokus europäischer Strafrechtspolitik. Der Beitrag wirft einen vergleichenden Blick auf die rechtlichen, politischen und institutionellen Rahmenbedingungen für die Integration restorativer Ansätze im Strafvollzug. Anhand von Beispielen aus verschiedenen europäischen Ländern zeigt sich, wie unterschiedlich weit die Entwicklungen vorangeschritten sind – von modellhaften Initiativen bis hin zu fehlender struktureller Verankerung. Der Beitrag plädiert dafür, Restorative Justice nicht nur als ergänzendes Angebot zu verstehen, sondern als eigenständigen Bestandteil eines menschenrechtsorientierten und zukunftsfähigen Strafvollzugs. Dies setzt nicht nur gesetzliche und organisatorische Reformen voraus, sondern auch eine professionsübergreifende Auseinandersetzung mit Haltung, institutionellen Bedingungen und langfristigen Zielsetzungen des Strafvollzugs in Europa.1

Vorbemerkung

Ueli Hostettler hat sich im Bereich der Strafvollzugsforschung nicht nur in der Schweiz einen Namen gemacht. Nach ethnographischen Forschungen zur Maya-Kultur in Mexiko seit Anfang der 1990er Jahre hat er seit 2005 regelmässig empirische Erkenntnisse zum schweizerischen Justizvollzug publiziert (Hostettler, 2005; Achermann & Hostettler, 2006; Hostettler, 2012; Baechtold & Hostettler, 2016). Zentrale Themen waren in der Folge wiederholte Befragungen des Gefängnispersonals (zuletzt Mangold et al., 2024), in diesem Kontext Forschungen zum sozialen Klima in Gefängnissen (Isenhardt et al., 2020) und die Problematik alternder Gefangener (Hostettler et al., 2016; Ghanem et al., 2023). Seine kritischen Analysen waren immer von einer grossen Sensibilität und einem humanen strafvollzugspolitischen Engagement für die von Strafvollzug Betroffenen, sei es als Insassen oder Personal, gekennzeichnet. Das Ziel, die Bedeutung von Humanität im Justizvollzug zu analysieren und hervorzuheben, eint uns. Aus unserer Sicht ist Restorative Justice ein geeignetes Instrument, um Menschlichkeit im Umgang mit Straftaten zu fördern und zu stärken. Wir widmen ihm diesen Beitrag mit allen guten Wünschen in der Hoffnung, dass er der Strafvollzugsforschung verbunden bleibt. Auf Menschen wie ihn wird es in einem rauer werdenden gesamtpolitischen Klima ankommen, um die Errungenschaften eines evidenzbasierten, humanen Strafvollzugs zu bewahren.

Einleitung

Der Begriff «Restorative Justice» (RJ) ist vielschichtig und im deutschen Sprachgebrauch nicht eindeutig definiert. Nach einer für den vorliegenden Beitrag geeigneten Definition strebt «Restorative Justice […] die (Wieder-)Herstellung des sozialen Friedens an», und sie schafft «einen Raum für Verständigung und Beziehungsstärkung – zwischen den tatverantwortlichen und den tatbetroffenen Personen sowie ggf. auch dem sozialen Umfeld der Beteiligten.»2 Die Empfehlung Rec(2018)8 des Europarats zu «restorative justice in criminal matters» fordert, dass Restorative Justice in jedem Stadium des Verfahrens im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht zur Verfügung stehen soll, also auch nach einer Verurteilung im Rahmen der Vollstreckung von Sanktionen, insbesondere im Strafvollzug. Dabei geht es einerseits um opferorientierte Ansätze (Auseinandersetzung mit der Tat, Wiedergutmachung, Förderung gegenseitigen Verständnisses, Mediationsbemühungen zur Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer), andererseits um Konfliktschlichtungsverfahren im Strafvollzug selbst, bei Konflikten zwischen Gefangenen oder Gefangenen und dem Personal.3

Der vorliegende Beitrag gibt die Ergebnisse einer aktuellen Bestandsaufnahme zur Restorative Justice in Europa mit einem speziellen Fokus auf entsprechende Ansätze im Bereich des Strafvollzugs wieder.4

Überblick über RJ im Strafvollzug – Ergebnisse im Rahmen des Projekts einer Enzyklopädie zur «Restorative Justice in Criminal Matters» im europäischen Vergleich

Die vergleichende Analyse von Restorative-Justice-Ansätzen im Strafvollzug ergab, dass es in 28 der 48 Länder (bedeutet 58,3%) gesetzliche Vorgaben oder entsprechende Projekte im Sinn der RJ mit Blick auf Resozialisierungsmassnahmen, Opfer-Täter-Begegnungen, Wiedergutmachungsleistungen und/oder innervollzugliche Streitbeilegung gab. Eine Übersicht zu entsprechenden Ansätzen im Strafvollzug gibt die nachfolgende Tab. 1.5

Tab. 1. Restorative Massnahmen im Strafvollzug

Land

Massnahmen im Strafvollzug
(VP, RestConf, WG, OBP, OTG, TOA, GefMed.)*

Jugendvollzug

Erwachsenenvollzug

Belgien

VP, WG, im Rahmen der erzieherischen Arbeit von im Einzelfall geschlossenen Jugendhilfeeinrichtungen möglich

VP, OBP, OTG, TOA, GefMed flächendeckend in allen Anstalten

Bulgarien

TOA, Konfliktlösungstrainingsprogramme

TOA (Pilotprojekte, Einzelfälle)

Deutschland

VP, OBP, TOA, GefMed

VP, OBP, TOA, GefMed

England & Wales

keine nationale Strategie auf gesetzlicher Grundlage, aber lokale Initiativen bzgl. OBP, OTG, GefMed)

2000-2005: ‘Restorative prisons project’*; lokale Initiativen bzgl. OBP, OTG, GefMed)

Estland

VP, OTG, GefMed gesetzlich vorgesehen, Praxis im Entstehen

VP, OTG, GefMed gesetzlich vorgesehen, Praxis im Entstehen

Finnland

OTG, TOA in Einzelfällen, keine systematische Ausrichtung auf RJ

OTG, TOA in Einzelfällen; seit 2015 zwei kleine Pilotprojekte zur Mediation bei schweren und Gewaltdelikten

Frankreich

OTG, TOA in Einzelfällen

OTG weit verbreitet, VP, TOA vereinzelt

Georgien

VP, TOA

VP, TOA (auch bei bes. schweren Delikten, geringe Fallzahlen)

Irland

VP, TOA, OBP (Sycamore Programm in Vorbereitung)

Nicht vorgesehen, aber BewHi wird in Einzelfällen tätig (TOA)

Israel

VP, TOA

Nicht vorgesehen

Italien

VP, OTG (theoretisch vorgesehen), TOA

VP, OTG, TOA

Kroatien

Anstalten sollen gem. Art. 14 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz Gefangene zur WG des Schadens und TOA anhalten

s. Jugendvollzug

Lettland

VP, TOA, keine spezifische RJ-Orientierung, aber StVollzG von 2013 ermöglicht Wiedergutmachung im Rahmen der Wiedereingliede-rungsmassnahmen)

s. Jugendvollzug

Malta

VP, TOA, Praxis auf wenige Einzelfälle begrenzt6

VP, TOA, s. Jugendvollzug

Niederlande

VP, OBP, OTG, TOA, flächendeckend in allen Anstalten7

VP, OBP, OTG, TOA, flächendeckend

Nordirland

OBP, OTG, RestConf, TOA («shuttle mediation»), GefMed

OBP, OTG, RestConf, TOA („shuttle mediation“), GefMed

Norwegen

VP, TOA, gesetzlicher Anspruch der Gefangenen auf Teilnahme an RJ-Massnahmen/Programmen (§ 2 Execution of Sentencing Act, 2001)

s. Jugendvollzug

Polen

TOA, WG als Teil von Resozialie-rungsprogrammen im Jugendvollzug

TOA (Pilotprojekt in Bezirk Lublin)

Portugal

OTG, OBP, TOA

OTG, OBP, TOA8

Rumänien

TOA, OBP9

TOA, OBW

Russland

OTG, GefMed

(WG)10; TOA in einer Frauenanstalt

Schottland

OBT, OTG (Sycamore Tree-Programme)

OBT, OTG (Sycamore Tree-Programme), TOA

Schweden

TOA

TOA11

Schweiz

erste Erfahrungen mit OTG (basierend auf Sycamore Tree-Programm, mit weiteren Restorative Justice-Elementen wie Circles)

VP, OTG (basierend auf Sycamore Tree-Programm, mit weiteren Restorative Justice-Elementen wie Circles), Pilotprojekte zum TOA

Serbien

VP, OBT, OTG als Behandlungsprogramm/-massnahme

Nicht vorgesehen

Spanien

Nicht vorgesehen

WG, OBP, OTG12

Tschechien

Keine Information

OTG, OBP (Prison Fellowship, «Building Briges»)

Ungarn

GefMed

StrafvollzugsG 2013: GefMed, theoretisch erweitert auf TOA mit den urspr. Verletzten; Projekt «Prison for the city»

* RJ als integraler Bestandteil der Vollzugsplanung (VP), Opferbewusstseinsprogramme13, z.B. im Rahmen der «Aufarbeitung der Tat», vorliegend i.d.R. ohne Opferbeteiligung (OBP), Opfer-Täter-Gesprächskreise/-Begegnungen (OTG), Opfer-Täter-Mediation (TOA); innervollzugliche Konfliktlösung Gefangener untereinander und mit Bediensteten (Mediation von Konflikten im Gefängnis) anstelle disziplinarischer Massnahmen (GefMed); Restorative Conferencing unter direkter Beteiligung von Opfern (RestConf), Wiedergutmachungsleistungen der Tatverantwortlichen ohne (zwingende) direkte Kommunikation mit den Opfern (WG)

Danach gibt es vollzugliche Restorative Justice-Massnahmen in folgenden 28 Ländern: Belgien (vgl. dazu Aertsen, 2005, 2012), Bulgarien, Deutschland, England & Wales, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Irland, Israel,14 Italien, Kroatien, Lettland, Malta, den Niederlanden, Nordirland, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schottland, Schweden, der Schweiz, Serbien, Spanien, Tschechien und Ungarn.

In Israel und Serbien handelt es sich um Projekte ausschliesslich im Jugendvollzug, in Tschechien und Spanien ausschliesslich im Erwachsenenvollzug. In Estland wurden 2018 die rechtlichen Voraussetzungen für RJ im Vollzug geschaffen, es gibt aber nur vereinzelte Praxisansätze bzw. entsprechende Planungen.

Häufig handelt es sich um lediglich auf einzelne Anstalten begrenzte Pilotprojekte, von einer Restorative Justice-orientierten Schwerpunktsetzung im Vollzug kann man in Belgien, den Niederlanden und Nordirland sprechen, bezogen auf allgemeine Opfer-Täter-Zusammentreffen (OTG) auch in Frankreich und der Schweiz.

Restorative Massnahmen im Strafvollzug werden häufiger direkt in den Vollzugsgesetzen bei den Vorschriften zur Vollzugsplanung (VP) angesprochen.15 Dies ist der Fall in Belgien, Deutschland, Estland, Georgien, Irland, Israel (in Jugendgefängnissen), Lettland, Malta, den Niederlanden, Norwegen, Serbien und der Schweiz (Erwachsenenvollzug). Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben ist die Vollzugsverwaltung verpflichtet, Massnahmen zur Wiedergutmachung bzw. Tataufarbeitung zu prüfen und ggf. geeignete opferorientierte Massnahmen im weiteren Verlauf des Wiedereingliederungsprozesses bzw. der Vollzugsplanung vorzusehen.

Opferbewusstseinsprogramme (OBP) spielen u.a. im Rahmen therapeutischer oder «erzieherischer» Ansätze (z.B. der Sozialtherapie in Deutschland) oder in bestimmten Jugendstrafanstalten gelegentlich eine Rolle, das Ausmass ihres restaurativen Charakters ist aber nicht immer klar, insbesondere dann, wenn eine Opferbeteiligung bzw. -kontaktaufnahme nicht vorgesehen ist oder wenn aus einer direktiven und damit zur Philosophie der RJ unpassenden Haltung heraus Tatverantwortliche zur «Empathie» mit Opfern «erzogen» werden sollen. Die Abgrenzung zu Opfer-Täter-Gesprächen (OTG) ist fliessend, da auch Opferbewusstseinsprogramme in der letzten Phase Treffen mit den individuellen oder abstrakten Opfern vorsehen können.16

Opfer-Täter-Gesprächskreise/-Begegnungen (OTG, englisch: Victim-offender encounters / meetings / restorative circles / restorative dialogues) beinhalten Gespräche einer Gruppe von Gefangenen mit einer Gruppe von Opfern (häufig entsprechender Delikte, z.B. Gewalt- und/oder Sexualdelikte), die in der Regel nicht die eigenen Verletzten der Tat sind. D.h., Opfer stellen sich als symbolische Repräsentant:innen entsprechender Viktimisierungen zur Verfügung. Ziel solcher Gesprächszirkel / -kreise ist es, ähnlich wie bei Opferbewusstseinsprogrammen, eine Sensibilisierung der Gefangenen für das Leid, das sie ihren Opfern zugefügt haben, zu erreichen, und über ein vertieftes Verständnis ihrer Taten Hemmschwellen hinsichtlich zukünftiger tatgeneigter Situationen zu erhöhen und dadurch Rückfälle zu vermeiden. Den Opfern sollen diese Gesprächskreise ermöglichen, über ihre Erfahrungen zu sprechen und unter anderem die Erfahrung zu machen, welche Reaktionen und Emotionen ihre Schilderungen bei den Täter:innen auslösen. So kann ein Gefühl von Verständnis und Menschlichkeit entstehen, das letztlich dazu beitragen kann, dass die Opfer besser mit ihren Erfahrungen umgehen können (Christen-Schneider, 2020, 2023). Die bekanntesten Programme in dieser Hinsicht wurden unter dem Namen der Sycamore Tree-Projekte17 entwickelt, die z.B. in Frankreich weitverbreitet sind (s.u. Abschnitt Täter treffen Opfer etc.).

Die meisten Länder unserer Untersuchung berichten, dass Täter-Opfer-Mediationen (TOA) während des Strafvollzugs vorgesehen sind oder gefördert werden sollen (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Georgien, Irland, Israel, Italien, Kroatien, Lettland, Malta, Niederlande, Nordirland, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schottland, Schweden, Schweiz, Ungarn). Das Ausmass und die Bedeutung von TOA ist hingegen sehr unterschiedlich. Während in Kroatien die Gefangenen zur Wiedergutmachung und zum TOA «angehalten» werden sollen, existiert in Belgien ein gesetzlicher Anspruch für Täter:innen und Opfer auf eine Mediation während des Vollzugs,18 und in den Niederlanden gibt es in einigen (Jugend- und Erwachsenen-) Gefängnissen spezielle «restorative justice counsellors», die unter anderem TOA organisieren (vgl. Claessen et al. in Dünkel et al., 2025a). In Nordirland scheinen in der vollzuglichen Praxis sogenannte «shuttle» Mediationen eine grosse Rolle zu spielen, bei der sich Täter:in und Opfer nicht persönlich treffen, der Mediator bzw. die Mediatorin jedoch eine grosse Rolle bei der Vermittlung von Botschaften übernimmt.

Programme bzw. gesetzliche Regelungen zur innervollzuglichen Konfliktschlichtung (bei Konflikten zwischen Gefangenen bzw. Personal und Gefangenen, GefMed) gibt es in Belgien, Deutschland (s.u.), England & Wales, Estland, Nordirland, Russland und Ungarn. Es ist aber davon auszugehen, dass einvernehmliche Streitschlichtungen in vielen therapeutisch orientierten Anstalten (in Deutschland z.B. der Sozialtherapie) regelmässig ein milieutherapeutisches Gestaltungselement darstellen, das in unserer Bestandsaufnahme nicht vollständig erfasst wurde. In den jugendstrafvollzugsrechtlichen Regelungen in Deutschland sind praktisch in allen Bundesländern erzieherische Gespräche/Massnahmen vorrangig vor formellen Disziplinierungen zu prüfen, teilweise wird auch die Konfliktregelung explizit genannt.19

Beispiele für Rechtsgrundlagen wiedergutmachungsorientierter Ansätze bei der Täter:innenbehandlung im Strafvollzug

Die rechtlichen Grundlagen für die Einführung bzw. Umsetzung restaurativer Massnahmen im Strafvollzug sind vielfach jüngeren Datums, so z.B. die Strafvollzugsgesetze in Deutschland (2007-2016), die Richtlinien des Justizministeriums von 2015 in den Niederlanden, oder das Strafvollzugsgesetz von 2022 in Frankreich.

Die rechtlichen Grundlagen in Deutschland sind seit der Föderalismusreform von 2006 mit einem Übergang der Gesetzgebungskompetenz auf die Bundesländer in 16 Landesgesetzen zum Strafvollzug, teilweise darüber hinaus in entsprechenden Jugendstrafvollzugsgesetzen verankert.

In zahlreichen Strafvollzugsgesetzen werden die Vollzugsbehörden «angehalten», die Gefangenen bei der Schadenswiedergutmachung gegenüber den Verletzten zu unterstützen (Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt). In Hamburg wird explizit auch der Täter-Opfer-Ausgleich erwähnt, in Nordrhein-Westfalen «opferbezogene Behandlungsmassnahmen und Massnahmen zum Ausgleich von Tatfolgen» (§ 10 StVollzG NW), und schliesslich finden sich Formulierungen, dass die Gefangenen «angeregt und in die Lage versetzt werden sollen», einen Ausgleich der Tatfolgen oder einen TOA zu erreichen (Angebotslösung).20 In Baden-Württemberg stellt § 2 Abs. 5 Justizvollzugsgesetzbuch Buch III in den sog. Behandlungsgrundsätzen folgende Forderung auf: «Zur Erreichung des Vollzugsziels sollen die Einsicht in die dem Opfer zugefügten Tatfolgen geweckt und geeignete Massnahmen zum Ausgleich angestrebt werden.» Auch hier darf es aus Sicht der Restorative Justice nur um Motivierung und Anregungen gehen, die der Vollzug geben soll, nicht um Zwang.21 In jedem Fall ist das grundlegende RJ-Prinzip der Freiwilligkeit von Tatverantwortlichen und Tatgeschädigten zu beachten.

Gleiches gilt, soweit wiedereingliederungsorientierte Behandlungsmassnahmen, etwa im Rahmen der Aufarbeitung der Tat unter Berücksichtigung der Opferperspektive, oder der TOA unter dem Aspekt der Übernahme sozialer Verantwortung als «soziales Lernfeld» vorgesehen werden.22

Begrüssenswert sind dagegen die in zwölf von 16 Landesstrafvollzugsgesetzen vorgesehenen Konfliktregelungsmechanismen bei Problemen zwischen Gefangenen und zwischen Gefangenen und Bediensteten, um förmliche Disziplinarmassnahmen zu vermeiden (s. zur Anwendungspraxis unten Abschnitt Konfliktschlichtung … zwischen Gefangenen …)23 Lediglich in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen wird eine solche kommunikative Konfliktregelung gesetzlich nicht gefordert.

Für den Bereich der Überleitung vom Strafvollzug in die Freiheit und die Nachbetreuung/Entlassenenhilfe sind die Resozialisierungs- und Opferhilfegesetze in Hamburg (2020) und Schleswig-Holstein (2022) auch mit Blick auf RJ-Massnahmen von Bedeutung. Das ResoG SH hat in diesem Zusammenhang in §§ 21 und 22 entsprechend Rule 18 der Rec(2018)8 ein flächendeckendes Angebot von TOA-Fachstellen und zugleich die Möglichkeit der Initiierung eines TOA auch durch die Betroffenen selbst gesetzlich verankert.24

In Belgien ist RJ in Gefängnissen schon Anfang der 1990er Jahre etabliert worden. Im Jahr 2000 verabschiedete das Justizministerium einen Runderlass (Circular Letter vom 4. Oktober 2000), durch den in jedem Gefängnis eine Vollzeitstelle für RJ-Berater:innen geschaffen wurde. Dieses «Nationale Programm zur RJ im Strafvollzug» wurde mit dem Strafvollzugsgesetz vom 12. Januar 2005 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, in dem als Ziele des Strafvollzugs die Wiedereingliederung der Gefangenen und die Wiedergutmachung gegenüber den Verletzten/Geschädigten festgelegt wurden.25

Das zum 1. Mai 2022 in Frankreich in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz nimmt ausdrücklich Bezug auf Restorative Justice (s. Art. L1 Satz 3: Le service pénitentiaire «concourt à la mise en œuvre de mesures de justice restaurative»; die Strafvollzugsverwaltung wirkt daran mit, restaurative Massnahmen umzusetzen).

In § 2 des norwegischen Strafvollzugsgesetzes (Execution of Sentencing Act 2001) heisst es: «Während der Verbüssung der Strafe muss das Angebot bestehen, an einem Restorative Justice-Verfahren teilzunehmen.»

Diese Länderbeispiele können als Vorbild für die Regelungen in den anderen Ländern angesehen werden: In der Regel regen die gesetzlichen Vorschriften Restorative Justice im Strafvollzug an, ohne spezielle Vorgaben zu machen. Dies ermöglicht einerseits den Aufbau einer Vielfalt von Restorative Justice-Angeboten, andererseits wäre die Benennung konkreter Massnahmen oder Programme (z.B. des TOA) im Gesetz insofern von Vorteil, als damit eine Verpflichtung der Vollzugsverwaltung zur Finanzierung solcher Angebote entstünde.

Konfliktschlichtung im Strafvollzug im Verhältnis zwischen Gefangenen sowie zu Bediensteten

Wie oben erwähnt, sind in Deutschland in den meisten Bundesländern einvernehmliche Schlichtungen als restorative Massnahmen auch bei innerstrafvollzuglichen Konflikten gesetzlich vorgesehen. Erstmals wurden ab 2019 solche einvernehmlichen Streitschlichtungen zur Vermeidung förmlicher Disziplinarmassnahmen auch statistisch erfasst. Nennenswerte Fallzahlen gab es 2019 allerdings nur in Baden-Württemberg (270 Fälle, d.h. 4,5% bezogen auf die Gesamtzahl von Disziplinarmassnahmen und Streitschlichtungen)26, in NRW (1’083 Fälle, d.h. 8,1% aller Disziplinarfälle) und in Sachsen (124 Fälle, d.h. 4,7%), im Bundesdurchschnitt waren es aufgrund von fünf Bundesländern, die angaben, keinerlei Streitschlichtungen gehabt zu haben, nur 3,6% (n=1.478) aller Disziplinarfälle.

Im Jahr 2021 ist der Gesamtwert von 3,4% Streitschlichtungen bezogen auf alle relevanten Disziplinarfälle auf vergleichbar niedrigem Niveau geblieben. Bemerkenswert sind hier aber die erstmals ausgewiesenen Zahlen für Rheinland-Pfalz, die mit 21,7% Streitschlichtungen bezogen auf alle disziplinarisch relevanten Ereignisse ein fast schon «restauratives Konfliktschlichtungsmanagement» andeuten. Nennenswerte Anteile von restaurativen Streitschlichtungen fanden sich im Übrigen nur in Brandenburg (7,3%) und NRW (5,2%), alle übrigen Länder wiesen statistisch gesehen nur Einzelfälle aus.

Täter:innen treffen Opfer: Sycamore Tree-Programme, Restaurative Dialoge (Schweiz), Réunions victimes-délinquants (Frankreich) etc.

Eine allmähliche Ausweitung restaurativer Ansätze wie Opfer-Täter-Begegnungen, häufig in programmatischen Gesprächskreisen wie im Sycamore Tree-Programm, ist in einer Reihe von Ländern (teils auf experimenteller Ebene) beobachtbar.

In Belgien hat insbesondere im Erwachsenenbereich die Mediation in Strafsachen in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Diese kann nunmehr neben Einrichtungen/Fachstellen der Restorative Justice auch von Sozialen Diensten der Justiz durchgeführt werden, die sich auch für die Durchführung von Opfer-Täter-Gesprächskreisen engagieren. Belgien (vgl. hierzu Aertsen in Dünkel et al., 2025a) nimmt zusammen mit den Niederlanden (Claessen, Wolthuis & Slump in Dünkel et al., 2025a) insofern eine herausgehobene Stellung ein, als auch im Strafvollzug restaurative Massnahmen flächendeckend angeboten werden. In den Niederlanden sind Opfer-Täter-Begegnungen prinzipiell im gesamten Strafvollzug möglich. In fünf (Jugend-)Strafvollzugseinrichtungen zeichnen sich sog. «restorative counsellors» für Opfer-Täter-Begegnungen (in Kreisverfahren oder im Rahmen einer Opfer-Täter-Mediation [TOA]) verantwortlich.

Bemerkenswerte Entwicklungen seit 2017 in Frankreich weisen auf eine zunehmende Anzahl von Opfer-Täter-Begegnungen im Strafvollzug hin. Hierbei treffen Opfer und Täter:innen ähnlicher Straftaten in kleinen Gruppen während eines mehrwöchigen restaurativen Dialogprozesses aufeinander. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Vermittler:innen und Freiwilligen aus der Zivilgesellschaft für solche Begegnungen ausgebildet. Insgesamt wurden landesweit bereits etwa 300 solcher Programme durchgeführt, an denen mehr als 1’200 Opfer und Tatverantwortliche teilgenommen haben (Cario in Dünkel et al., 2025a).

In der Schweiz wurden in bestimmten Strafvollzugseinrichtungen innovative lokale Ansätze wie Mediationen zwischen Opfern und Tatverantwortlichen sowie Restaurative Dialoge nach schweren Verbrechen verstärkt angewandt. Die restaurativen Dialoge, basierend auf dem Sycamore Tree-Programm, finden über einen Zeitraum von acht Wochen als Circle-Verfahren statt.27 In diesem Zeitraum kommt eine Gruppe von etwa zehn bis zwölf Personen (darunter ca. fünf Gefangene) wöchentlich in den Anstalten zusammen, um sich in einem festen Rahmen strukturiert über Täter:innen- und Opfererfahrungen auszutauschen. Mitglieder des Schweizerischen Forums für Restaurative Justiz moderieren und leiten die Gespräche. Dabei wird ein besonderer Fokus auf eine gute Vorbereitung sowie auf Traumainformiertheit gelegt.28 Pro Jahr erreichen diese Angebote bisher etwa dreissig Gefangene. Erste Programmdurchläufe gab es mittlerweile auch in der EDM Palézieux mit Jugendlichen.

Auch in Ländern wie Grossbritannien (England & Wales, Nordirland und Schottland) und Tschechien werden Kreisverfahren, basierend auf dem Sycamore Tree-Programm, z.T. flächendeckend im Erwachsenenstrafvollzug angeboten.

Eine interessante Besonderheit mit Blick auf spezifische Tätergruppen findet man in Kroatien und Spanien, die über den Fokus herkömmlicher Opfer-Täter-Begegnungskreise von Gewalt- und Sexualdelikte hinausgehen.

In Kroatien wurden Opfer-Täter-Begegnungen seit 2005, und verstärkt seit 2009, für Strassenverkehrstäter:innen etabliert. Zum Teil haben Verwandte von im Strassenverkehr getöteten Opfern an solchen Gesprächskreisen teilgenommen (vgl. Carrington-Dye et al., 2015, S. 46 ff.).

In Spanien ist ein auf Wirtschaftsstraftäter:innen fokussiertes Programm (PIDECO, s.u.) etabliert worden, eine weitere spezielle Tätergruppe von Opfer-Täter-Begegnungsgesprächskreisen betraf inhaftierte Baskische Separatisten der ETA.

Das Programm «Reconexión» für Gefangene und ihre Familien wurde 2018 im Gefängnis von Burgos ins Leben gerufen. Hierbei geht es um eine in Rule 61 der Rec(2018)8 genannte Massnahme der Wiedereingliederung, um die Beziehungen der zu entlassenden Gefangenen zu ihren Familien zu verbessern («[…] to build and maintain relationships […] between prisoners and their families […]»).29

Das Programm «de intervención penitenciaria en delitos económicos» (Programm zur Intervention bei Wirtschaftsdelikten im Strafvollzug, PIDECO) gibt es seit Ende 2021. In diesem spezifischen Behandlungsprogramm wird RJ als notwendige Ergänzung verstanden, um den verursachten Schaden wiedergutzumachen und die Möglichkeit zu erhalten, sich für die entstandene Schädigung zu entschuldigen. Im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten fanden restorative Begegnungen zwischen Opfern und Tätern 2011 im Gefängnis von Nanclares de la Oca statt (vgl. i. E. Giménez-Salinas & Rodríguez in Dünkel et al., 2025a).

Zusammenfassung und Ausblick

Restorative Justice-orientierte Massnahmen haben im Strafvollzug in Europa erheblich an Bedeutung gewonnen. Erfreulicherweise vergrössert sich die Möglichkeit von RJ-Angeboten weiterhin. Viele Länder ermöglichen neben dem «klassischen» TOA auch Opfer-Täter-Begegnungen (mit «symbolischen» Opfern, nicht den Geschädigten der eigenen Tathandlungen) mit dem Ziel, das gegenseitige Verständnis und eine Sensibilisierung der Tatverantwortlichen für das Leid der Opfer zu fördern und im günstigen Fall «Heilungsprozesse» bei Letzteren zu unterstützen. Dies kann die Täter:innen wiederum befähigen, diese Erfahrungen in Wiedergutmachungsbemühungen gegenüber «ihren» Opfern einfliessen zu lassen. Diese Initiativen erscheinen im Grundsatz positiv,30 solange sie den RJ-Prinzipien folgend auf freiwilliger Basis erfolgen und auch kein indirekter Zwang durch Vergünstigungen im Rahmen von Entscheidungen über vollzugsöffnende Massnahmen ausgeübt wird. Wenn die Tataufarbeitung, Entschuldigung oder Wiedergutmachung beim Opfer mit Erleichterungen des Vollzugsregimes oder bei der bedingten Entlassung honoriert werden, ist das im Rahmen prognostischer Einschätzungen gut vertretbar, wenn sie allerdings zur gesetzlichen Voraussetzung für die Gewährung von Lockerungen oder für die bedingte Entlassung gemacht werden, tritt letztlich eine (punitive, d.h. bestrafungsorientierte) Verschärfung des Vollzugsregimes ein, die nicht unter dem Deckmantel der Restorative Justice gerechtfertigt werden kann. Restorative Justice unter Zwang bzw. ohne Freiwilligkeit ist keine Restorative Justice!31 Eine im Sinne der Grundprinzipien gelebte Restorative Justice kann im Gefängnisalltag zu mehr Menschlichkeit und insgesamt zu einem für alle Beteiligten humaneren Justizvollzug führen.

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Anmerkungen

1Eine Vorversion dieses Beitrags findet sich bei Dünkel et al., 2023a. Für den vorliegenden Beitrag wurden zusätzliche Daten verwendet, die insgesamt die Analyse aktualisieren und erweitern. ↩︎
2 Willms, 2023, S. 495 f., in Anlehnung an die Empfehlung des Europarats zur Restorative Justice in der Strafrechtspflege aus dem Jahr 2018, vgl. CM/Rec(2018)8 concerning restorative justice in criminal matters, unter https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId=09000016808e35f3 (zuletzt abgerufen 30.3.2025). Vgl. auch Dünkel & Păroşanu, 2020, S. 311 ff.; Dünkel & Willms, 2023, S. 174; Dünkel et al., 2023b, S. 146 ff. ↩︎
3 Vgl. dazu Rule 60 der Rec(2018)8: «Restorative principles and approaches may be also used within the criminal justice system, but outside of the criminal procedure. For example, they may be applied where there is a conflict between citizens and police officers, between prisoners and prison officers, between prisoners, or between probation workers and the offenders they supervise. They may also be applied where there is a conflict between staff within judicial authorities or criminal justice agencies.» Rule 61 vertieft diesen Ansatz wie folgt: «Restorative principles and approaches may be used proactively by judicial authorities and criminal justice agencies. For example, they could be utilised to build and maintain relationships: […] among prisoners; between prisoners and their families; or between prisoners and prison officers. This can help to build trust, respect and social capital between or within these groups». ↩︎
4 Aus Raumgründen begrenzen wir uns auf den Bereich des Strafvollzugs und lassen Initiativen im Rahmen der Bewährungshilfe bzw. der Vollstreckung ambulanter Sanktionen aussen vor. Die Analyse bezieht sich aus Daten eines internationalen Forschungsprojekts zur Bestandsaufnahme der Restorative Justice. Die Autor:innen dieses Beitrags sind verantwortlich für den europäischen Teil des Forschungsprojekts und Herausgeber:innen eines europäischen Teils einer internationalen Enzyklopädie der Restorative Justice, s. Dünkel et al., 2025a. Der europäische Teil der Enzyklopädie umfasst 48 Länder (einschliesslich Israel, s.u.), Hinweise auf Ländernamen beziehen sich auf die dort enthaltenen Landesberichte. ↩︎
5 In der Tabelle werden nur Länder aufgeführt, in denen es entsprechende gesetzgeberische Vorgaben oder Projekte gab. Keinerlei Praxisansätze in dieser Hinsicht gibt es nach Informationen der am Forschungsprojekt beteiligten Expert:innen in acht Ländern: Belarus, Dänemark, Griechenland, Island, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien und die Türkei. In zwölf weiteren Ländern gibt es Restorative-Justice-Ansätze nur im Rahmen der bedingten Entlassung als Voraussetzung oder Bedingung im Rahmen der vorzeitigen Entlassung, die hier ebenfalls in der Tabelle unberücksichtigt bleiben: Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien, Herzegowina, Kosovo, Litauen, Luxemburg, Österreich, Slowakei, Slowenien, Ukraine und Zypern. ↩︎
6 TOA kann gesetzlich von drei Organisationen vorgeschlagen werden: Offenders‘ Assessment Board bei der Vollzugsplanerstellung, Remission Board (entscheidet über Strafzeitverkürzungen) und Parole Board (entscheidet über bedingte vorzeitige Entlassung). ↩︎
7 In Jugendgefängnissen (forensischen Jugendstrafanstalten) wird RJ als eines der (meist zugrundeliegenden) Behandlungsziele angesehen. Das Augenmerk auf die Wiedergutmachung ist stärker in das gesamte Programm, die Behandlung und die Kurse aller Jugendgefängnisse, einschliesslich DAPPER, integriert. DAPPER (bedeutet BRAVE, «mutig»), besteht aus acht einstündigen Sitzungen und wird seit 2015 in allen Jugendgefängnissen in den Niederlanden durchgeführt, vgl. Claessen, Wolthuis & Slump in Dünkel et al., 2025a. ↩︎
8 Gesetz Nr. 115/2009 hat die generelle Möglichkeit opferorientierter Massnahmen im Vollzug von Sanktionen eingeführt. Demgemäss sieht Artikel 47 Nr. 4 vor, dass «Gefangene mit ihrem Einverständnis an restorativen Programmen teilnehmen können, insbesondere an einem TOA mit direkten Begegnungen mit den Verletzten». ↩︎
9 1. Erziehungsprogramm mit dem Namen «Educating to repair» ist auf die Entwicklung von Konfliktlösungskompetenzen, die Entwicklung von Empathie und das Verständnis der Konsequenzen des eigenen Handelns ausgerichtet (dreissig Sitzungen). 2. Psychologisch-therapeutisches Programm mit dem Titel «Intervention targeting lack of empathy, duplicity and immorality». Es wurde entwickelt für Täter:innen, die Schwierigkeiten haben sich in andere Personen hineinzuversetzen und deren Verletzbarkeit zu verstehen, ihre Gefühle auszudrücken, anderen mit Respekt zu begegnen und Verantwortung zu übernehmen (Programmdauer drei bis sechs Monate), vgl. Păroşanu & Szabo in Dünkel et al., 2025a. ↩︎
10 Seit 2003 sind Entschuldigungsbriefe als Bedingung für eine vorzeitige Entlassung vorgesehen. Diese sind aber nicht als restaurativ (restorative) im engeren Sinne anzusehen. ↩︎
11 Einige Gefängnisse organisieren zusammen mit dem kommunalen Mediationsdienst TOA-Treffen, zumeist mit jungen Inhaftierten. Ein freier Träger (NGO), genannt «The reconciliation group», bietet TOA im Strafvollzug an. ↩︎
12Das Programm «Reconexión» für Personen, denen die Freiheit entzogen wurde, und ihre Familien wurde 2018 im Gefängnis von Burgos ins Leben gerufen.  ↩︎
13 Opferbewusstseinsprogramme werden vorliegend als Übersetzung des englischen Begriffs der Victim-Awareness-Programme gebraucht. ↩︎
14 Israel gehört geographisch nicht zu Europa, jedoch haben die israelischen Kolleg:innen gebeten im Rahmen der weltweiten Enzyklopädie im europäischen Sammelband aufgenommen zu werden, was aufgrund der Nähe zur europäischen Rechtskultur nachvollziehbar erscheint und akzeptiert wurde. ↩︎
15 Die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze (European Prison Rules, EPR) von 2006-rev 2020 fordern die Gefängnisverwaltungen auf, für alle Gefangenen einen Vollzugsplan zu erstellen, der auf der Basis von Erhebungen zur persönlichen Situation der Gefangenen (Eingangsdiagnostik) eine «Strategie» zur Vorbereitung der Entlassung beinhalten soll (vgl. Rule 103.2 EPR). Vollzugspläne sollten konkrete Wiedereingliederungsmassnahmen bzgl. Arbeit, Ausbildung, andere Aktivitäten im Vollzug, die Entlassungsvorbereitung, sozialarbeiterische Betreuung, medizinische Versorgung, psychologische/psychotherapeutische Behandlung und Begleitung beinhalten (vgl. die Rules 103.4 und 103.5 EPR). Was die Entlassungsvorbereitung anbelangt, so legt Rule 103.6 fest: Es soll ein System von Vollzugslockerungen (mit einer abgestuften Öffnung und Überleitung in die Freiheit) als integraler Bestandteil der Vollzugsgestaltung für verurteilte Gefangene vorgesehen werden. Dazu gehören, wie man aus den konkreteren Hinweisen der Rules 59-61 der CM/Rec (2018)8 entnehmen kann, auch Konfliktregelungsmechanismen im Vollzug und die Aufarbeitung der Tat im Rahmen von Wiedereingliederungsmassnahmen, Opfer-Täter-Begegnungen etc. ↩︎
16 So z.B. die OE-Programme in Schleswig-Holstein, vgl. Hagenmeier, 2021, S. 52 f. ↩︎
17 Entwickelt von Prison fellowship International, siehe dazu https://pfi.org/what-we-do/prisoners/sycamore-tree-project-justice-and-peace/. ↩︎
18 Aertsen in Dünkel et al. 2025a. Zwischen 2000 und 2008 gab es in jedem belgischen Gefängnis einen festangestellten «restorative justice advisor», dessen Aufgabe nicht nur in der Organisation einzelner Fälle bestand, sondern der eine insgesamte Restorative Justice-Kultur in den Gefängnissen prägen sollte (Hodiaumont et al., 2005). Die entsprechenden Personalstellen wurden zu allgemeinen Berater:innen der Anstaltsleitung für die resozialisierungsorientierte Vollzugsgestaltung umgewidmet («The function of the restorative justice advisor was transformed into a more general one to assist the prison governor in general management tasks»). ↩︎
19So z.B. in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, vgl. Ostendorf-Rose, 2022, § 10, Rn. 1 ff.; die erzieherischen Massnahmen sind allerdings eher als informelle Sanktionierung anstatt formeller Disziplinierung anzusehen und daher in ihrem restaurativen Potenzial fragwürdig. ↩︎
20 Vgl. zusammenfassend Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal-Best, 2020, 7. Kapitel, C. Rn. 6; Feest/Lesting/Lindemann-Bahl/Pollähne, 2022, Teil II § 5 Rn. 70. m.jew.w.N. ↩︎
21 Baden-Württemberg ist – soweit ersichtlich – das einzige Bundesland, das versucht hat, diese Zielvorschrift zu evaluieren. Die Erfolge blieben deshalb relativ begrenzt, weil der Vollzug in vielen Fällen daran scheiterte, die Kontaktadressen der Opfer zu erhalten. Soweit eine Kontaktaufnahme gelang, waren die meisten Opfer bereit an einem Ausgleichsverfahren teilzunehmen (nur 11% Verweigerungen), das beide Seiten später als positiv bewerteten, vgl. Kilchling, 2017, S. 49; Dünkel & Pǎroșanu, 2020, S. 324. ↩︎
22 Vgl. Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal-Best, 2020, 7.Kapitel, C. Rn. 6. ↩︎
23 Vgl. Feest/Lesting/Lindemann-Walter/Lindemann, 2022, Teil II, § 89 LandesR, Rn. 6; Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal-Laubenthal, 2020, 11. Kapitel, Rn. 60. ↩︎
24 Vgl. Dünkel & Willms, 2023, S. 177, die ein generelles Initiativrecht der Tatverantwortlichen und -geschädigten als Erweiterung des § 155a StPO vorschlagen (S. 182 f.). ↩︎
25 Aertsen in Dünkel et al., 2025a. Die RJ-Berater:innen wurden allerdings 2008 in dieser spezifischen Ausrichtung abgeschafft und zu allgemeinen Berater:innen der Anstaltsleitung umfunktioniert, vgl. Fn. 18. ↩︎
26Die Zahlen für Baden-Württemberg überraschen insoweit als eine entsprechende gesetzliche Vorgabe im Strafvollzugsgesetz gar nicht existiert, s.o. Abschnitt Beispiele für Rechtsgrundlagen. ↩︎
27 Domenig, 2023, S. 210 und in Dünkel et al., 2025a m.jew.w.N. ↩︎
28 Christen-Schneider & Pycroft, 2021, insb. S. 244 ff., Christen-Schneider, 2025. ↩︎
29 Das spanische Projekt ist vermutlich nicht das Einzige dieser Art in Europa, vielmehr gehört die Aufrechterhaltung familiärer Beziehungen zum integralen Bestandteil familienfreundlicher und zugleich wiedereingliederungsorientierter Vollzugsgestaltung, wie sie in Deutschland weit verbreitet ist und auch gesetzlich in zahlreichen Vollzugsgesetzen (z.B. Schleswig-Holstein) ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. z.B. Thiele, 2016; Feige, 2019). ↩︎
30 Vgl. dazu schon Rössner & Wulff, 1984; ferner die Beiträge bei Höffler et al., 2019; Dünkel & Pǎroșanu, 2020, S. 317. Eine aktuelle Analyse der Evaluationsliteratur zu Restorative Justice zeigt international einstimmige hohe Zufriedenheitsraten bei den Teilnehmenden (Täter:innen und Opfern) von Restorative Justice Formaten, vgl. Dünkel et al., 2025b, S. 95 ff. ↩︎
31 Im Ergebnis so auch Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal-Best, 2020, 7.Kapitel, C. Rn. 6; Feest/Lesting/Lindemann-Bahl/Pollähne, 2022, Teil II § 5 Rn. 74. ↩︎