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doi.org/10.36950/edv-umb-2025.07
Anna Isenhardt u. a.

Zwölf Jahre Personalbefragung im Schweizer Justizvollzug

Abstract

In den letzten zwölf Jahren wurden unter der Leitung von Ueli Hostettler verschiedene Personalbefragungen im Schweizer Justizvollzug durchgeführt (2012, 2017, 2020, 2023). Dieser Beitrag gibt einen Gesamtüberblick über die Historie und Methodik dieser Befragungen. An den Befragungen haben sich jeweils zwischen 37 und 49 Prozent der Mitarbeitenden im Schweizer Justizvollzug beteiligt. Des Weiteren werden ausgewählte Ergebnisse präsentiert und die Entwicklung einiger arbeitsbezogener Einstellungen betrachtet. Dabei zeigte sich, dass sich die Arbeitszufriedenheit in allen Erhebungsjahren stabil auf einem hohen Niveau bewegte. Jeweils mehr als drei Viertel der Befragten waren zufrieden. Im Vergleich zur ersten Befragung im Jahr 2012 war die Zufriedenheit 2023 und in den anderen Erhebungsjahren etwas geringer. Ebenso äusserte jeweils rund die Hälfte ein hohes Commitment sowie rund zwei Drittel eine hohe Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit mit den direkten Vorgesetzten. Zwischen den Konkordaten zeigten sich einige Unterschiede bezüglich des Commitments und der Zusammenarbeit mit Vorgesetzten, insbesondere zwischen den beiden Deutschschweizer Konkordaten und dem Konkordat der lateinischen Schweiz, wo das Commitment und die Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit mit den direkten Vorgesetzten etwas weniger positiv bewertet wurden.

Einleitung

Dem Personal im Justizvollzug kommt eine wichtige Rolle zu. Trotz ihrer grossen Bedeutung für die Anstalten und Gefängnisse wurde den Mitarbeitenden im Justizvollzug wenig Aufmerksamkeit geschenkt und man wusste wenig über ihren Arbeitsalltag und ihre Situation. Dies führte dazu, dass sie von Liebling (2000, S. 337) als «invisible ghosts of penalty», als unsichtbare Geister der Bestrafung bezeichnet wurden. Im Vergleich zum angelsächsischen gab es im deutschsprachigen Raum noch weniger Forschung und auch in der Schweiz lag wenig bis gar kein systematisches Wissen vor. Diese Ausgangslage war für Ueli Hostettler der Anlass, sich dieser besonderen Berufsgruppe zu widmen und zu Beginn der 2010er Jahre ein erstes Forschungsprojekt zum Thema «Arbeiten im Justizvollzug» beim Schweizerischen Nationalfonds zu beantragen, in dessen Rahmen eine umfassende, schweizweite Befragung von Mitarbeitenden im Justizvollzug durchgeführt wurde. Seitdem wurden bis zum heutigen Tag unter der Leitung von Ueli Hostettler insgesamt vier Personalbefragungen (2012, 2017, 2020, 2023) im Justizvollzug durchgeführt. Diese haben sich stets weiterentwickelt, wurden um weitere Themen ergänzt und insbesondere für die Nutzung durch die Praxis aufbereitet. Dabei ist es Ueli Hostettler und seinem unermüdlichen und stetigen Einsatz für dieses Thema zu verdanken, dass die Personalbefragungen fortgesetzt durchgeführt werden konnten und die Schweiz dadurch über eine weltweit einmalige Datenbasis über ihre Justizvollzugsanstalten und diese spezielle Berufsgruppe verfügt. Ein wichtiges Anliegen war Ueli Hostettler, neben dem Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs, stets der Transfer des durch die Befragungen erhaltenen Wissens in die Praxis. Damit konnte er zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs in der Schweiz beitragen und Entscheider:innen eine evidenzbasierte Grundlage für ihre Arbeit bieten. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war Ueli Hostettler ebenfalls ein wichtiges Anliegen, wovon alle drei Autor:innen dieses Beitrags profitiert haben.

Im Folgenden wird zum einen ein Gesamtüberblick über die Historie und Methodik der Personalbefragungen dargestellt. Zum anderen werden ausgewählte Ergebnisse der Befragung präsentiert und die zeitliche Entwicklung ausgewählter allgemeiner und arbeitsbezogener Einstellungen wie Commitment betrachtet.

Überblick über die verschiedenen Befragungswellen

Mittlerweile wurde die Personalbefragung unter Leitung von Ueli Hostettler als ein Projekt der von ihm gegründeten Prison Research Group schweizweit viermal durchgeführt (2012, 2017, 2020, 2023). Wie die Befragungen institutionell eingebunden und finanziert waren, kann Tab. 1 entnommen werden.

Tab. 1. Überblick über die institutionelle Anbindung und Finanzierung der Erhebungswellen

Jahr

Institutionelle Verortung

Finanzierung

2012

Universität Fribourg/ Prison Research Group

Schweizerischer Nationalfonds (SNF)

2017

Universität Bern/ Prison Research Group

Schweizerischer Nationalfonds (SNF)

2020

Universität Bern/ Prison Research Group

Stiftung Artisana, UniBern Forschungsstiftung, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Bern, Schweizerisches Kompetenzzentrum für den Justizvollzug SKJV, Prison Research Group

2023

Universität Bern/ Prison Research Group

Schweizerisches Kompetenzzentrum für den Justizvollzug SKJV, Prison Research Group

Die erste Befragung im Jahr 2012 wurde im Rahmen eines vom Schweizer Nationalfonds (SNF) finanzierten Projekts1 an der Universität Fribourg durchgeführt. Neben der Befragung wurde eine ethnografische Studie durchgeführt (Young, 2018). Es folgte ein zweites vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziertes Projekt2 in dessen Rahmen im Jahr 2017 eine zweite Befragung erfolgte. Ausgehend von der Annahme, dass «professionelle Führung der Schlüssel zur Schaffung humaner Gefängnisse ist» (Jacobs & Olitsky, 2004) und insbesondere den Leiter:innen der Anstalten eine besondere Bedeutung im Gesamtgefüge der Institution zukommt, wurden im Jahr 2017 erstmals auch Anstaltsleiter:innen mit einem eigenen Fragebogen befragt. Weitere Befragungen dieser Gruppe erfolgten parallel zur Personalbefragung auch im Jahr 2020 und im Jahr 2023. Neben Aspekten wie z.B. der Arbeitszufriedenheit, Führungsstilen und potenziellen Rekrutierungsschwierigkeiten bei der Einstellung geeigneter Mitarbeiter:innen, wurden u.a. die Zufriedenheit mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen, dem eigenen Handlungsspielraum und der Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren (z.B. anderen Anstalten innerhalb und ausserhalb des eigenen Konkordats) erfasst (s. Isenhardt et al., 2022). Dadurch wurde auch der von Bryans (2012) gemachten Beobachtung Rechnung getragen, dass sich die Direktor:innen selbst in einem Spannungsfeld zwischen der Kontrolle, den Regulationen und Regeln von ausserhalb und der Notwendigkeit, den eigenen Ermessensspielraum zu nutzen, befinden. Im Jahr 2017 wurde in Ergänzung zur Personal- und Anstaltsleiter:innenbefragung eine Befragung von Eingewiesenen durchgeführt, die sich jedoch, im Gegensatz zu den anderen beiden Befragungen, auf den Straf- und Massnahmenvollzug beschränkte. So konnte der Alltag in den Anstalten und z.B. Aspekte wie das soziale Klima in den Anstalten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden (s. Isenhardt et al., 2020).

Bereits bei der Entwicklung des Fragebogens für die erste Befragungswelle im Jahr 2012 wurde das Projektteam vom Schweizerischen Ausbildungszentrum für das Strafvollzugspersonal (SAZ) unterstützt, das heute Teil des Schweizerischen Kompetenzzentrum für den Justizvollzug (SKJV) ist. Auch alle weiteren Befragungswellen wurden durch das SAZ bzw. SKJV unterstützt, sowohl durch Beratung, dem zur Verfügung stellen und der Vermittlung von Kontakten, als auch finanziell. Nachdem die Befragungen im Jahr 2012 und 2017 im Rahmen von SNF-geförderten Forschungsprojekten stattfanden, erfolgte die Finanzierung der Befragungen im Jahr 2020 und 2023 in weiten Teilen durch das SKJV (für weitere Details zur Finanzierung der einzelnen Befragungswellen s. Tab. 1). Eingesetzt wurden jeweils auch Eigenmittel der Prison Research Group sowie im Jahr 2020 auch Mittel der Forschungsstiftung der Universität Bern, der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern und der Stiftung Artisana.

Weitere Unterstützung erfolgte durch die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen (KKJPD), die Konferenz der kantonalen Leitenden des Justizvollzugs (KKLJV) sowie Freiheitsentzug Schweiz (FES), einer Vereinigung von Schweizer Anstaltsdirektor:innen. Unterstützt wurden die Befragungen auch durch die einzelnen kantonalen Ämter für den Justizvollzug und insbesondere die Anstaltsleiter:innen und die befragten Mitarbeiter:innen, die uns so vielfältige Einblicke in ihren Arbeitsalltag gewährt haben.

Methodisches Vorgehen

Die Erhebungslogistik wurde für die erste Befragung im Jahr 2012 entwickelt und über die Jahre angepasst und weiterentwickelt. Allen Erhebungswellen ist jedoch gemeinsam, dass der Zugang zu den Mitarbeitenden bzw. die Verteilung der Fragebögen an die Mitarbeitenden über die Anstalten erfolgte und stets eine Vollerhebung durchgeführt wurde, bei der alle Mitarbeitenden einer Institution einen Fragebogen erhielten sowie Mitarbeitende aller in den Institutionen vertretenen Berufsgruppen einbezogen waren.

Der Fragebogen

Der Fragebogen umfasste jeweils rund 24 Seiten und enthielt Fragen zur Person (z.B. Alter, Geschlecht, Dienstalter), zur Organisation (z.B. Charakteristika der Anstalten und Gefängnisse, Arbeitsanforderungen), dem Arbeitsprozess (z.B. Zusammenarbeit mit Kolleg:innen und Vorgesetzten, Arbeit mit den Eingewiesenen, Arbeitssicherheit und zu verschiedenen Arbeitseinstellungen (z.B. Arbeitszufriedenheit, Commitment, Einstellung gegenüber Eingewiesenen). Neben diesem Grundstock an Fragen, die seit 2012 fester, in allen Erhebungswellen verwendeter Teil des Fragebogens sind, wurden, zum Teil auch in Absprache mit den Geldgeber:innen bzw. auf deren Wunsch, weitere Fragen in den Fragebogen integriert. So wurde z.B. seit 2017 auch das Anstaltsklima erfasst, 2020 kam die Erfassung von Coping-Ressourcen im Umgang mit Stress hinzu und es wurden Fragen zum Thema Aus- und Weiterbildung gestellt, 2023 schliesslich Fragen zum Thema Digitalisierung im Justizvollzug. Abb. 1 enthält einen groben Überblick über die Themen des Personalfragebogens (Hostettler et al., 2024). Gleichzeitig mit den Personalfragebögen wurden den Anstalten und Gefängnissen ein Fragebogen für die Institution zugestellt. Dieser erfasst Angaben zur Gesamtheit aller Mitarbeitenden, z.B. deren Alter und Geschlecht sowie Angaben dazu, wie die Fragebögen verteilt wurden. Ausserdem Informationen zur Institution, z.B. über die Anzahl Haftplätze oder die angebotenen Vollzugsformen sowie zum Anstaltsalltag, z.B. welche Behandlungsmassnahmen für Eingewiesene in der Institution vorhanden sind. Aus diesen Fragebögen ging für alle Befragungswellen hervor, dass die Mitarbeitenden in allen Institutionen die Möglichkeit hatten, den Fragebogen während der Arbeitszeit auszufüllen. Ermöglicht wird durch dieses Vorgehen ein umfassender Blick auf die Leistungen des Schweizer Justizvollzugs in seiner Gesamtheit. Neben dem Personalfragebogen und dem Fragebogen auf institutioneller Ebene bildet die Befragung der Direktor:innen eine weitere Informationsquelle (s. Abb. 1).

Abb. 1. Überblick über die Themen der Befragungen

Verwendet wurden mehrheitlich etablierte Skalen, die nach Möglichkeit eine Vergleichbarkeit mit anderen Branchen in der Schweiz oder Ergebnissen aus Befragungen von Justizvollzugspersonal in anderen Ländern ermöglichen. Einige wenige Skalen wurden auf der Basis von Erkenntnissen aus den Vorerhebungen angepasst, insbesondere gekürzt, aber zum Teil auch ausgetauscht. Dabei wurde darauf geachtet, die Vergleichbarkeit zwischen den Erhebungswellen aufrechtzuerhalten. Vor seinem ersten Einsatz wurde der Fragebogen einem Pretest unterzogen. Der Fragebogen liegt in den Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch vor.

Datenerhebung

Vor Versand der Fragebögen erfolgt die Anfrage an die kantonalen Ämter für Justizvollzug und wenn von diesen das Einverständnis vorliegt, an die Anstalten, ob sie bereit sind, teilzunehmen. Bei Teilnahmebereitschaft wird um die Mitteilung der Anzahl Mitarbeiter:innen gebeten. Anschliessend werden die Fragebögen per Paketpost in entsprechender Anzahl an eine vorher mit den Anstalten vereinbarte Ansprechperson in den Anstalten verschickt. Dort wird dann die Verteilung der Fragebögen vorgenommen. Dem Fragebogen beigelegt ist jeweils, neben einem Anschreiben, ein vorfrankierter und voradressierter Rückumschlag, mit dem die ausgefüllten Fragebögen direkt an das Forschungsteam zurückgesandt werden können. Seit der Erhebung im Jahr 2020 besteht zudem die Möglichkeit, den Fragebogen alternativ online auszufüllen. Diese Möglichkeit wurde im Jahr 2020 von rund 41% der Mitarbeitenden genutzt, im Jahr 2023 von 69%.

Etwa zwei Wochen nach dem Verteilen der Fragebögen werden Erinnerungsschreiben versandt, die wiederum von den Verantwortlichen in den Anstalten an die Mitarbeitenden verteilt werden. Gegebenenfalls erfolgte eine weitere Erinnerung.

Rückläufe

Mit Ausnahme der Befragung im Jahr 2020 konnten in allen 26 Kantonen Befragungen durchgeführt werden. Im Jahr 2020 nahmen Genf und Tessin nicht teil, so dass bei dieser Befragungswelle aus diesen beiden Kantonen keine Institutionen und Mitarbeitenden einbezogen werden konnten.

Über die vier Erhebungswellen hinweg war es möglich, die meisten Schweizer Institutionen zu befragen. In den Jahren 2012, 2017 und 2023 haben die meisten Institutionen teilgenommen, nur eine kleine Anzahl hat sich nicht beteiligt, mit verschiedenen Begründungen, z.B. dass ihre Institution derzeit grosse Veränderungen durchlaufe, die Institution erst vor kurzem eröffnet wurde oder dass sie derzeit einen Personalmangel hätten und dieser Fragebogen eine zusätzliche Belastung für das Personal darstellen würde. 2020 war ein ausserordentliches Jahr, in dem im Vergleich zu den anderen Erhebungsjahren die geringste Anzahl an Institutionen teilnahmen. Dies lag zum einen daran, dass, wie bereits erwähnt, keine Institutionen aus den Kantonen Genf und Tessin teilnahmen. Zum anderen war zum Zeitpunkt der Befragung Covid-19 noch in vollem Gange, so dass viele Mitarbeitende unter zusätzlichem Stress standen, weshalb sich auch eine grössere Zahl von Institutionen gegen eine Teilnahme entschied.

Auf Ebene der Mitarbeitenden wurden in den Jahren 2012, 2017 und 2023 jeweils mehr als 4’000 Mitarbeitende um Teilnahme an der Befragung angefragt (s. Tab. 2). Im Jahr 2020 wurde an weniger Personen ein Fragebogen ausgehändigt, was insbesondere auch darauf zurückzuführen ist, dass weniger Institutionen und Kantone teilnahmen. Von den um Teilnahme angefragten Mitarbeitenden haben sich im Jahr 2012 und 2023 fast die Hälfte beteiligt, im Jahr 2017 waren es mit rund 37% am wenigsten. Im Jahr 2020 beteiligten sich rund 40%.

Tab. 2. Rückläufe auf Ebene der Mitarbeitenden

Jahr

angefragt

beteiligt

Rücklauf in %

2012

4’217

2’045

48,5

2017

4’476

1’667

37,2

2020

3’184

1’262

39,6

2023

4’799

2’306

48,0

Zum Teil unterscheidet sich die erhaltene Stichprobe zudem auf Ebene der Institutionen; auch dahingehend, welche Institutionsformen um Teilnahme angefragt wurden. Im Jahr 2012 wurden z.B. auch Jugendheime und forensische Psychiatrien einbezogen. Da diese zum damaligen Zeitpunkt jedoch nur sehr unvollständig um Teilnahme angefragt werden konnten, wurde entschieden, diese Institutionen aus der Auswertung auszuklammern und eine separate Auswertung vorzunehmen (s. Isenhardt et al., 2014). Basis für die um Teilnahme angefragten Institutionen in späteren Befragungen bildete eine vom SKJV geführte Liste mit einer Übersicht aller Institutionen. Für die Befragung im Jahr 2017 wurden nach den Erfahrungen der Erhebung im Jahr 2012 Polizeigefängnisse, Jugendheime, forensische Psychiatrien, Wohnheime, in denen z.B. Wohn- und Arbeitsexternat vollzogen wird, der beim Kanton Bern ansässige Transportdienst und ähnliche Sonderinstitutionen ausgeklammert und ausschliesslich Gefängnisse und Anstalten des Straf- und Massnahmenvollzug befragt. In den Befragungen 2020 und 2023 wurde entschieden, die Auflistung des SKJV vollständig als Basis zu verwenden und alle Institutionen auf dieser Liste anzuschreiben. Die Liste wurde z.T. durch weitere eigene Recherchen ergänzt. Zudem wurden einige Institutionen über die Jahre geschlossen, einige neue wurden eröffnet. Die Grundgesamtheit unterscheidet sich also zwischen den Jahren etwas. Alle wesentlichen Institutionen wurden jedoch stets einbezogen, so dass unter Beachtung der skizzierten Unterschiede Vergleiche zwischen den Erhebungswellen im Sinne einer Trendbeobachtung vorgenommen werden können.

Auch die Mitarbeitenden, die befragt wurden, sind nicht in allen Erhebungswellen dieselben. Gewisse Mitarbeitende haben den Justizvollzug verlassen, andere wurden neu eingestellt, Mitarbeitende, die sich in einem Jahr an der Befragung beteiligt haben, haben sich in einem anderen Jahr nicht beteiligt o.ä. Es handelt sich also nicht um eine Längsschnittuntersuchung, bei der zu verschiedenen Zeitpunkten dieselben Personen befragt wurden. Der Fragebogen enthält jedoch einen persönlichen, anonymen Code, über den die Befragten identifiziert werden können. Für Befragte, die an mehreren Erhebungswellen teilgenommen haben, sind somit auch Längsschnittanalysen möglich.

Ausgewählte Ergebnisse

Im Folgenden werden Ergebnisse zu einigen ausgewählten Themen über die Erhebungswellen hinweg präsentiert. Diese sind in weiten Teilen bereits in Mangold et al., 2024 veröffentlicht worden. Betrachtet werden die allgemeine Arbeitszufriedenheit, das Commitment und die Beurteilung der Zusammenarbeit mit dem oder der Vorgesetzten. Weiter werden die Ergebnisse für Commitment und Zusammenarbeit mit Vorgesetzten nach Konkordaten aufgeschlüsselt analysiert. Angegeben wird jeweils auch, wie die Messung der einzelnen Aspekte erfolgte.3

Wie bereits angesprochen, muss bei Vergleichen zwischen den Jahren bedacht werden, dass nicht immer dieselben Kantone, Institutionen und Mitarbeitenden befragt wurden. Zu bedenken ist ausserdem, dass im Jahr 2012 eine separate Auswertung für Mitarbeitende aus Jugendheimen und forensischen Psychiatrien vorgenommen wurde und diese nicht Teil der hier dargestellten Ergebnisse sind. Dadurch reduziert sich auch die Fallzahl in der hier verwendeten Stichprobe.

Arbeitszufriedenheit und organisationales Commitment bilden zwei zentrale Arbeitseinstellungen. Beide können als wesentlich für das individuelle Wohlbefinden der Mitarbeitenden sowie deren Engagement im Arbeitsalltag angesehen werden (Lambert et al., 2021). Sie können ausserdem beide vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitsgeberin beeinflusst werden, indem Mitarbeitende beispielsweise bei der Weiterbildung unterstützt werden, Aufstiegsmöglichkeiten gewährt werden oder die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kolleg:innen gestärkt wird (Isenhardt et al., 2024). Die allgemeine Arbeitszufriedenheit wurde in Anlehnung an Grote und Staffelbach (2010) mit einer Einzelfrage erfasst. Diese lautete: «Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeit/Stelle, auf einer Skala von 1 bis 10, in der 1 vollkommen unzufrieden und 10 vollkommen zufrieden bedeutet?». Anschliessend wurden die Antworten auf diese Einzelfrage in die Kategorien schlecht, mittelmässig und gut eingeteilt. Die Ergebnisse sind in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2. Arbeitszufriedenheit

Bei allen vier Befragungen äusserte die überwiegende Mehrheit der Befragten eine hohe Zufriedenheit mit ihrer Stelle. Die höchsten Zufriedenheitswerte lassen sich in der Befragung aus dem Jahr 2012 beobachten, während der Anteil Personen mit guter Arbeitszufriedenheit in den anderen Jahren geringfügig geringer war und am niedrigsten im Jahr 2023. Der Anteil in mittlerem Masse zufriedener Befragungsteilnehmer:innen stieg hingegen an, ebenso der Anteil unzufriedener Befragter, letzterer jedoch weniger stark im Vergleich zum Anteil mittelmässig zufriedener.

Zusätzlich zur allgemeinen Arbeitszufriedenheit wurde die Zufriedenheit mit verschiedenen weiteren Aspekten erfasst, z.B. mit der Unterstützung der Anstalt bei der Weiterbildung, dem Einkommen und den Aufstiegsmöglichkeiten. Die Zufriedenheit mit diesen Aspekten konnte auf einer Skala von (1) sehr unzufrieden bis (5) sehr zufrieden bewertet werden. Bei den Items handelt es sich um eine Eigenentwicklung. Insgesamt äusserten die Befragten im Vergleich zur allgemeinen Arbeitszufriedenheit weniger häufig, dass sie zufrieden seien. Hohe oder sehr hohe Zufriedenheit mit ihrem Einkommen äusserten im Jahr 2012 50,0% (N=1874) der Befragungsteilnehmer:innen. 30,7% gaben an, sie seien teils/teils zufrieden. 2023 war die Zufriedenheit mit dem Einkommen im Vergleich deutlich geringer. 38,5% (N=2286) der Befragten waren mit ihrem Einkommen zufrieden oder sehr zufrieden, 32,4% teilweise. Die Zufriedenheit mit dem Einkommen hat also im Durchschnitt abgenommen seit der ersten Befragung. Zufriedenheit bzw. hohe Zufriedenheit mit ihren Aufstiegsmöglichkeiten äusserten im Jahr 2012 29,2% (N=1849) der Befragten. 33,5% waren 2012 in Teilen zufrieden. In der jüngsten Befragung aus dem Jahr 2023 waren anteilig gesehen ähnlich viele Befragte zufrieden mit ihren Aufstiegsmöglichkeiten (31,4% (N=2265) sind (sehr) zufrieden, 35,8% zum Teil). Damit war der Anteil (sehr) unzufriedener Befragter im Jahr 2023 ähnlich gross wie der Anteil (sehr) zufriedener Befragter. Im Jahr 2012 äusserten mehr Befragte Unzufriedenheit im Vergleich zu Zufriedenheit. Zu bedenken bleibt jedoch, dass die Aufstiegsmöglichkeiten auch objektiv begrenzt sind und es nicht viele Führungspositionen innerhalb der Anstalten gibt. Vergleicht man Befragungsteilnehmer:innen mit und ohne Führungsposition (hier auf Basis der Befragung aus dem Jahr 2023), so zeigt sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Führungsfunktion und der Zufriedenheit bezüglich der eigenen Aufstiegsmöglichkeiten (χ²(4) = 97,89, p = <.001, φ = 0.23). Während 47,8% (n=521) der Befragten mit Führungsfunktion mit ihren Aufstiegsmöglichkeiten zufrieden oder sehr zufrieden waren, äusserten sich nur 25,6% (n=1453) der Teilnehmer:innen ohne Führungsfunktion dementsprechend. In mittlerem Masse zufrieden waren 29,0% der Befragten mit sowie 38,2% der Befragten ohne Führungsfunktion.

Die Erfassung des affektiven Commitments und damit der Bindung an ihre Anstalt bzw. ihr Gefängnis erfolgte mit Hilfe der Kurzform des Organizational Commitment Questionnaire (OCQ-G). Verwendet wurde die deutsche Fassung nach Maier und Woschée (2002). Die Kurzskala besteht aus neun positiv formulierten Items, die zu einem Mittelwertscore zusammengefasst und anschliessend in die Kategorien tiefes, mittleres und hohes Commitment eingeteilt wurden (s. Abb. 3). Beispielitems sind: «Meinen Freunden gegenüber lobe ich meine Anstalt/mein Gefängnis als besonders guten Arbeitgeber» sowie «Ich bin stolz, anderen sagen zu können, dass ich in dieser Anstalt/diesem Gefängnis arbeite». Die Antwortskala reichte von (1) stimmt nicht bis (5) stimmt sehr. Wie das Commitment der Befragten in den einzelnen Befragungswellen jeweils beurteilt werden kann, ist in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3. Commitment

Insgesamt weisen in allen Erhebungswellen die überwiegende Mehrheit der Befragten ein hohes oder mittleres Commitment auf. Nur wenige Befragte berichten eine geringe Bindung an ihre Institution. Die jeweiligen Anteile unterscheiden sich nur wenig zwischen den Erhebungswellen. Der geringste Anteil Mitarbeitender mit einer starken Bindung an die eigene Anstalt/das eigene Gefängnis lässt sich im Jahr 2012 beobachten, der höchste im Jahr 2020.

Die Zusammenarbeit mit den eigenen Vorgesetzten wurde mit einer aus neun Einzelaussagen bestehenden Skala erfasst, die für die Befragung im Jahr 2012 entwickelt wurde. Diese wies in allen Erhebungsjahren eine gute interne Konsistenz auf. Die einzelnen Items bilden ab, ob man sich mit seinem direkten Vorgesetzten bzw. seiner direkten Vorgesetzten gut versteht, diese bzw. dieser als fachlich kompetent wahrgenommen wird, man sich fair behandelt fühlt, ob gegenseitiges Vertrauen besteht, man Anerkennung für erbrachte Leistungen erhält und Rücksicht auf die persönliche Situation genommen wird. Beispielaussagen sind: «Im Allgemeinen verstehe ich mich gut mit meinem/meiner Vorgesetzten» oder «Es besteht gegenseitiges Vertrauen zwischen mir und meinem/meiner Vorgesetzten». Die Antwortskala reichte von (1) «stimmt nicht» bis (5) «stimmt sehr». Aus den Items wurde ein Mittelwertscore gebildet, der anschliessend in Anlehnung an die Antwortskala in drei Kategorien eingeteilt wurde (s. Abb. 4).

Abb. 4. Zusammenarbeit mit Vorgesetzten

Wie Abb. 4 zeigt, sind in allen Erhebungsjahren zwei Drittel oder mehr mit der Zusammenarbeit mit ihren direkten Vorgesetzten und der Beziehung zu diesen zufrieden. Nur jeweils etwa jede zehnte befragte Person empfand die Zusammenarbeit als schlecht. Etwas grösser ist der Anteil Befragungsteilnehmer:innen, welche die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten als gut erleben, bei der Befragung im Jahr 2020 sowie im Jahr 2023 im Vergleich zu den anderen Erhebungsjahren. Für das Jahr 2020 ist jedoch zu bedenken, dass in zwei Kantonen keine Befragungen durchgeführt werden konnten. Die Anteile mittelmässig Zufriedener sind in den Jahren 2012 und 2017 grösser als in den Jahren 2020 und 2023.

Die Daten ermöglichen verschiedene Vergleiche innerhalb der Vollzugslandschaft, z.B. nach Vollzugsformen (offen/geschlossen, Strafvollzug/Massnahmenvollzug/Gefängnis4), nach Grösse der Institution oder Konkordat. Exemplarisch wird im Folgenden auf Unterschiede zwischen den Konkordaten in Bezug auf das Commitment der Mitarbeitenden sowie die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten eingegangen.

Abb. 5. Commitment nach Konkordat

Hinsichtlich des Commitments der Mitarbeitenden zeigen sich zwischen den Konkordaten einige Unterschiede (s. Abb. 5). So waren bei allen vier Erhebungswellen die Anteile Befragter mit tiefem Commitment im Konkordat der Lateinischen Schweiz grösser im Vergleich zu den beiden anderen Konkordaten. Bei den Befragungen in den Jahren 2017 und 2020 war der Anteil Teilnehmer:innen mit tiefem Commitment im Ostschweizer Konkordat im Vergleich zu den anderen beiden Konkordaten besonders gering. Seit 2020 ist der Anteil von Personen, die ein hohes Commitment angaben, im Ostschweizer Konkordat um ungefähr vier Prozentpunkte zurückgegangen. Ein Grund für die etwas höheren Anteile Befragter mit tieferem Commitment im Lateinischen Konkordat könnte sein, dass diese sich häufiger sowohl durch die Menge als auch die Inhalte der an sie gestellten Arbeitsaufgaben überfordert fühlen (Mangold et al., 2024).

Bezüglich der Zusammenarbeit mit den direkten Vorgesetzten fällt zunächst auf, dass in allen Konkordaten die Mehrheit der Befragten diese als gut bewertet (s. Abb. 6). Jedoch sind die Anteile Teilnehmer:innen, welche die Zusammenarbeit eher als schlecht oder mittelmässig bewerten, im Lateinischen Konkordat grösser als in den beiden Deutschschweizer Konkordaten. Nur in der Befragung im Jahr 2020 ist dieser Unterschied weniger deutlich. Auch das könnte ein Grund dafür sein, dass Befragte aus dem Lateinischen Konkordat weniger Commitment aufweisen. Die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten erwies sich in einer Analyse mit den Daten aus dem Jahr 2023 als wesentlicher Einflussfaktor auf das Commitment der befragten Mitarbeitenden (Isenhardt et al., 2024).

Abb. 6. Zusammenarbeit mit den direkten Vorgesetzten nach Konkordat

Neben Vergleichen innerhalb der Vollzugslandschaft ermöglichen die Daten weitere Vergleiche, z.B. nach Berufsgruppen innerhalb der Anstalten und Gefängnisse (Isenhardt et al., 2016; Mangold et al., 2024), nach Geschlecht und Alter der Mitarbeitenden (Isenhardt et al., , 2014), nach Dienstalter oder nach Mitarbeitenden mit und ohne Führungsfunktion.

Wissenschaftlicher Diskurs und Praxistransfer

Die Untersuchungen verfolgten verschiedene Zielsetzungen. Zum einen sollte ein Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs geleistet werden. Insbesondere zum Zeitpunkt der Initiierung der ersten Befragung war nicht nur in der Schweiz, sondern auch international sehr wenig bekannt über die Situation des Personals im Justizvollzug. Seitdem hat sich der Forschungsstand deutlich verbreitert und die hier vorgestellten Personalbefragungen konnten wesentlich dazu beitragen, die Schweizer und damit auch einen Teil einer Europäischen Perspektive diesem Forschungsstand hinzuzufügen. Insbesondere durch das Verfassen englischsprachiger Fachartikel und das Halten von Vorträgen auf internationalen Konferenzen wurde die Arbeit der Prison Research Group und der Personalbefragung als ein Teilprojekt der Forschungsgruppe international zunehmend wahrgenommen, was durch verschiedene Kontaktaufnahmen und Einladungen, z.B. für Vorträge oder die Beteiligung an Sammelbänden deutlich wurde.

Zum anderen war insbesondere der Praxistransfer stets ein wichtiges Anliegen. Im Folgenden sind einige entsprechende Aktivitäten exemplarisch dargestellt. Dabei wurde meist eng mit den im Abschnitt «Überblick über die verschiedenen Befragungswellen» erwähnten Akteur:innen zusammengearbeitet, insbesondere mit dem SKJV. Im Jahr 2020 wurde die Beziehung zwischen dem SKJV und dem Forschungsteam immer enger. Diese Partnerschaft nahm drei wichtige Dimensionen an: Erstens unterstützte das SKJV, wie bereits angesprochen, das Forschungsteam finanziell, was die Fortsetzung des Forschungsprojekts ermöglichte. Zweitens hat das Forschungsteam dem SKJV seit 2020 Raum (etwa drei Seiten) im Fragebogen für eigene Fragen zur Verfügung gestellt. Das SKJV nutzte diese Gelegenheit, um Fragen zur Aus- und Weiterbildung der in den Institutionen tätigen Mitarbeitenden zu formulieren. Auf diese Weise konnten sie bewerten, wie die Menschen ihre Programme und Angebote wahrnehmen, und feststellen, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Dies wurde im Jahr 2023 mit geringfügigen Änderungen an den Fragen wiederholt. Auf diese Weise konnte das SKJV auch feststellen, ob es grössere Trends und Veränderungen in der Wahrnehmung ihrer Aus- und Weiterbildungsangebote gab und ob die von ihr durchgeführten Änderungen Wirkung zeigten. Die dritte Dimension war die Integration von Daten der Personalbefragung in das Monitoring Justizvollzug des SKJV. Dieses Projekt zielte darauf ab, einen Teil der Daten aus dem Fragebogen zu übernehmen, sie auf einem internen Teil der Website des SKJV zu präsentieren und den kantonalen Ämtern Zugang zu diesen Daten zu geben. So konnten die kantonalen Ämter direkt sehen, wie die Mitarbeitenden in ihrem Kanton ihre Arbeit wahrnehmen. Diese Daten wurden in PowerBi grafisch aufbereitet, um einen einfachen Überblick zu ermöglichen. Das SKJV und das Forschungsteam arbeiteten eng zusammen, um festzulegen, welche Daten wie präsentiert werden sollten. Dieses Projekt wurde von den kantonalen Ämtern insgesamt als positiv bewertet, da es ihnen bisher unbekannte Einblicke ermöglicht.

Zur Zusammenarbeit mit dem SKJV gehört ausserdem die regelmässige aktive Teilnahme am vom SKJV organisierten Forum Justizvollzug, einer jährlich stattfindenden Fachtagung für den Schweizer Justizvollzug, bei der mehrfach Ergebnisse der Befragungen der interessierten Fachöffentlichkeit aus Praxis und Wissenschaft präsentiert und mit dem Publikum diskutiert werden konnten. Weiter wurden verschiedene Bemühungen unternommen, Forschungsergebnisse in die Anstalten und Gefängnisse zurück zu spiegeln. Dies geschah u.a. über die Anstaltsleitungen, in dem z.B. Forschungsergebnisse bei Treffen von FES präsentiert wurden. Darüber hinaus wurden verschiedene Artikel im Praxisjournal #prison-info veröffentlicht, das sich an die in diesen Institutionen arbeitenden Personen wendet (z.B. Frey et al., 2021).

Wie bereits angedeutet, war einer der Kernaspekte dieser Projekte die Weitergabe der durch den Fragebogen gewonnenen Erkenntnisse an die in diesem Bereich tätigen Personen. Ab 2020 hat das Forschungsteam beschlossen, den Einrichtungen die Möglichkeit zu geben, einen Bericht darüber zu erhalten, wie ihre Mitarbeitenden ihre Arbeit erleben. Diese Berichte konzentrierten sich auf Themen (z.B. Commitment, soziales Klima, Verbreitung verschiedener Arbeitsbelastungen), die für die Leitung relevant waren und in denen sie auch Möglichkeiten hatten, etwas zu ändern. Eine Reihe von Einrichtungen nutzte diese Gelegenheit, um spezifische Erkenntnisse über ihre Mitarbeitenden und deren Wahrnehmung ihrer Arbeit zu gewinnen, was zu einem insgesamt positiven Feedback führte. Zusätzlich zu diesen Berichten bot das Forschungsteam auch die Durchführung eines Workshops mit den Einrichtungen (häufig mit Personen aus dem Kader) an, in dem die Ergebnisse des Berichts diskutiert und aufgearbeitet wurden. Diese Workshops gaben den Einrichtungen und dem Forschungsteam neue und einzigartige Einblicke in die Arbeit, die in diesen Institutionen geleistet wird. Es war spannend zu sehen, wie sich die Ergebnisse der Berichte in der Realität der Institutionen widerspiegelten, und sich häufig auch mit den von der Leitung wahrgenommenen wichtigen Problemen deckten. Das Forschungsteam hatte die Möglichkeit, diese Workshops im Anschluss an die Befragungen in den Jahren 2020 und 2023 durchzuführen, und eine Reihe von Institutionen, die 2020 teilgenommen hatten, nahmen 2023 erneut daran teil. Darin zeigte sich der Wert, den der Bericht und der Workshop für die Institutionen hatten. Dies zeigte sich insbesondere in einer Institution, die nach dem ersten Workshop ihre Bemühungen um eine Erhöhung der Rücklaufquote ihrer Institution mit dem Ziel einer besseren Repräsentativität der Daten deutlich verstärkte.

Abschliessende Betrachtungen/Ausblick

Wie zu Beginn dieses Kapitels hervorgehoben wurde, war zum Zeitpunkt der Initiierung der Personalbefragung im Grunde nichts über die im Schweizer Strafvollzug Tätigen bekannt. Wie Liebling (2000, S. 337) schreibt, wurden die Mitarbeitenden oft als «invisible ghosts of penalty» kaum beachtet. Diese Charakterisierung trifft bzw. traf auch auf die Schweiz zu. Die Prison Research Group, insbesondere Ueli Hostettler, hat sich jedoch zum Ziel gesetzt, dies durch eine über zehnjährige Forschung zu ändern. In diesen zehn Jahren haben Ueli Hostettler und die Prison Research Group regelmässig ein Schlaglicht darauf geworfen, wie die Mitarbeitenden ihre Arbeit erleben. Ausserdem haben sie es diesen Mitarbeitenden ermöglicht, eine Stimme zu haben (vielleicht manchmal auf eine etwas abstrakte Weise) und dadurch eine Berufsgruppe sichtbar gemacht, die in unserer Gesellschaft oft ignoriert wird.

Aus heutiger Sicht wird das Projekt weitergeführt. Im Jahr 2026 wird es eine fünfte Personalbefragung geben. Wiederum ist es Ueli Hostettler und seinem unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass diese wichtige Forschung weitergeführt werden kann.

In diesem letzten Teil des Kapitels möchten die Autoren auch ausdrücklich ihre grosse Dankbarkeit gegenüber Ueli Hostettler zum Ausdruck bringen. Ueli Hostettler hat einen enormen und einzigartigen Einfluss auf die Gefängnisforschung gehabt. Er hat darüber hinaus auch auf die Autorinnen und Autoren dieses Kapitels einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt und es ihnen ermöglicht, sich weiterzuentwickeln, kritisch über das Feld nachzudenken, in dem wir forschen, Dimensionen zu hinterfragen, die wir vorher nicht hatten, unsere Forschungsfähigkeiten zu erweitern und grossartige Diskussionen zu führen. Während der Schwerpunkt dieses Kapitels auf der Forschung liegt, an der Ueli Hostettler und die Autor:innen des Kapitels beteiligt waren, möchten wir Ueli auch für die persönlichen Interaktionen, Verbindungen, Lacher und anregenden Diskussionen danken, die wir in den letzten Jahren geniessen durften. Wir alle danken dir von Herzen für die Zeit, die wir miteinander verbringen durften!

Literatur

Bryans, S. (2012). Prison governors: New public managers? In J. Bennett, B. Crewe, & A. Wahidin (Hrsg.), Understanding prison staff (S. 213-230). Routledge.

Grote, G., & Staffelbach, B. (2010). Schweizer HR-Barometer 2011. Arbeitsflexibilität und Familie. NZZ.

Hostettler, U., Mangold, C. P., Battaglia, S., & Frey, L. (25. April 2024). Neue Daten aus der Personalbefragung im Justizvollzug: Das soziale Klima aus der Perspektive des Personals. Beitrag präsentiert an der Frühjahrstagung-FES (Freiheitsentzug Schweiz), Montreux, Schweiz.

Frey, L., Hostettler, U., Isenhardt, A., & Mangold, C. P. (2021). Einblick in den Arbeitsalltag während der Covid-19-Pandemie. Erste Ergebnisse der dritten Befragung des Personals im Justizvollzug. #prison-info, 46(1), 37-43.

Isenhardt, A., Hostettler, U., & Young, C. (2014). Arbeiten im schweizerischen Justizvollzug. Stämpfli.

Isenhardt, A., Young, C., & Hostettler, U. (2016). Die Gesundheit des Personals im Schweizer Justizvollzug – Unterschiede zwischen Betreuungspersonal und Spezialdiensten. Bewährungshilfe 63(1), 34-49.

Isenhardt, A., Mangold, C., & Hostettler, U. (2020). Das soziale Klima in Gefängnissen und Anstalten des Schweizer Straf- und Massnahmenvollzugs: Unterschiede in der Wahrnehmung von Personal und Gefangenen. NKrim 1(1), 53-65.

Isenhardt, A., Hostettler, U., & Mangold, C. P. (2022). Arbeitsalltag und Zufriedenheit von Anstalts- und Gefängnisleitenden im Schweizer Justizvollzug: Ergebnisse einer explorativen Befragung. Kriminologie – Das Online-Journal | Criminology – The Online Journal, 4(1), 1-19.

Isenhardt, A., Mangold, C. P., & Hostettler, U. (2024). Einflussfaktoren auf und Folgen von organisationalem Commitment von Mitarbeitenden im Schweizer Justizvollzug. Forum Strafvollzug. Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe, 73(2), 240-245.

Jacobs, J. B., & Olitsky, E. (2004). Leadership and correctional reform. Pace Law Review, 24(2), 477-496.

Lambert. E. G., Leone, M., Hogan, N. L., Buckner, Z., Worley, R., & Worley, V. B. (2021). To be committed or not: a systematic review of the empirical literature on organizational commitment among correctional staff. Criminal Justice, 34, 88-114.

Liebling, A. (2000). Prison officers, policing and the use of discretion. Theoretical Criminology, 4(3), 530-550.

Maier, G. W., & Woschée, R. M. (2002). Die affektive Bindung an das Unternehmen: Psychometrische Überprüfung einer deutschsprachigen Fassung des Organizational Commitment Questionnaire (OCQ) von Porter und Smith (1970). Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 46, 126-136.

Mangold, C. P., Isenhardt, A., Frey, L., & Hostettler, U. (2004). Arbeitskontext und Arbeitserleben von Sozialarbeitenden im Schweizer Justizvollzug – Ergebnisse der Personalbefragung 2020 der Prison Research Group der Universität Bern. In M. Richter & J. Emprechtinger (Hrsg.), Soziale Arbeit in der Schweizer Justizvollzugslandschaft. Eine Kartographie für Forschung und Praxis (S. 187-218). Seismo.

Mangold, C. P., Frey, L., Battaglia, S., & Hostettler, U. (2024). Personalbefragung im Justizvollzug: Auswertungen zentraler Themen. Universität Bern, Institut für Strafrecht und Kriminologie, Prison Research Group.

Young, C. (2018). Narrative im Justizvollzug. Identitäten von Mitarbeitenden, medialer Diskurs und historischer Kontext. Seismo.

Anmerkungen

1 Grant #100017_130375, https://data.snf.ch/grants/grant/130375 (zuletzt abgerufen am 5.5.2025). ↩︎
2 Grant #169495, https://data.snf.ch/grants/grant/169495 (zuletzt abgerufen am 5.5.2025). ↩︎
3 Die Prozentangaben können rundungsbedingt in der Summe mehr als 100% (z.B. 100,1%) oder weniger als 100% (z.B. 99,9%) betragen. ↩︎
4 In die Kategorie Gefängnis wurden Institutionen eingeordnet, in denen nicht hauptsächlich Straf- oder Massnahmenvollzug vollzogen wird, sondern insbesondere auch andere Haftformen, wie Untersuchungs- und Sicherungshaft. Dabei handelt es sich i.d.R. um so genannte Kantonal- und Regionalgefängnisse. ↩︎