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doi.org/10.36950/edv-umb-2025.09
Irene Marti u. a.

Verwahrung im Jugendstrafrecht – ein Systembruch ohne Vollzugskonzept

Abstract

Die Verwahrung von Jugendlichen stellt nicht nur eine rechtliche und ethische, sondern auch eine praktische Herausforderung dar. Die aktuelle Gesetzesänderung markiert einen fundamentalen Systembruch im schweizerischen Jugendstrafrecht, das traditionell auf Erziehung, Schutz und Resozialisierung ausgerichtet ist. Derzeit ist unklar, wie und wo die Verwahrung von jungen Menschen vollzogen werden soll. Dieser Beitrag beleuchtet die bestehenden Strukturen des Verwahrungsvollzugs für Erwachsene und gibt einen Einblick in das Leben in der Verwahrung aus der Perspektive der Betroffenen. Die Autorinnen argumentieren, dass die mit der Verwahrung einhergehende soziale Isolation und fehlende Zukunftsperspektive im Kontext eines primär sicherheitsorientierten Umfelds die psychische Belastung und das Rückfallrisiko junger Verwahrter erhöhen können. Neurowissenschaftliche und entwicklungspsychologische Erkenntnisse zur Gehirnreifung junger Menschen unterstreichen die Problematik der unbefristeten Sicherungsverwahrung in dieser Altersgruppe. Abschliessend wird die Frage aufgeworfen, ob ein menschenrechtskonformer Vollzug für Jugendliche überhaupt möglich ist oder ob die Verwahrung einen nicht umsetzbaren Systembruch darstellt.

Einleitung

Die Einführung der Verwahrung in das Schweizer Jugendstrafrecht markiert eine sicherheitspolitische Wende, die zentrale Prinzipien des Jugendstrafrechts – insbesondere das Ziel des Schutzes und der Erziehung – infrage stellt. Während bereits für erwachsene Verwahrte der humane Vollzug eine Herausforderung darstellt, wird diese Problematik für junge Menschen umso gravierender. Junge Inhaftierte haben spezifische Bedürfnisse in Bezug auf Entwicklung, Bildung und soziale Integration, die in herkömmlichen Verwahrungsvollzugseinrichtungen kaum berücksichtigt werden. Offen ist bisher die Frage, wo und wie diese Verwahrung für Jugendliche vollzogen werden soll. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die bestehenden Strukturen des Verwahrungsvollzugs und zeigt auf, dass eine etwas freiheitlichere Gestaltung nahezu ausschliesslich älteren und kranken Verwahrten zugutekommt. Die Frage bleibt daher, ob und wie eine menschenrechtskonforme Umsetzung für Jugendliche überhaupt möglich ist oder ob sich auch an der Frage des Vollzugs zeigt, dass die Verwahrung im Jugendstrafrecht einen Systembruch darstellt, der den Grundsätzen einer am Wohl des Kindes orientierten Justiz widerspricht.

Die Einführung der Verwahrung in das schweizerische Jugendstrafrecht

Bereits an anderer Stelle in dieser Festschrift (Queloz, in diesem Band) wurde der Paradigmenwechsel beschrieben, der durch die Einführung der Verwahrung in das schweizerische Jugendstrafrecht vollzogen wird und der grundlegende Prinzipien desselben infrage stellt. Während das Jugendstrafrecht traditionell auf Erziehung, Schutz und Resozialisierung ausgerichtet ist (Aebersold et al., 2024), setzt die Verwahrung primär auf Sicherung und Prävention. Die gesetzliche Neuerung wurde politisch als Schliessen einer «Sicherheitslücke» dargestellt, doch in der Fachwelt und in der Rechtsprechung stösst sie auf erhebliche Bedenken.

Den Ausgangspunkt für die Einführung der Verwahrung bildete die im Frühjahr 2016 eingereichte Motion «Sicherheitslücke im Jugendstrafrecht schliessen». In ihr wurde die Frage aufgeworfen, wie mit jungen Erwachsenen umzugehen sei, die in einer jugendstrafrechtlichen Schutzmassnahme untergebracht sind und gesetzeskonform (vgl. Art. 19 Abs. 2 JStG) mit dem 25. Geburtstag aus dieser entlassen werden müssten, aber noch als «gefährlich» gelten würden. Intensiviert wurde die Debatte durch die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellte Rechtswidrigkeit der schweizerischen Praxis, trotz Fehlens einer Selbstgefährdung als Anschlusslösung eine fürsorgerische Unterbringung nach Art. 426 ZGB anzuordnen (EGMR T.B. gegen Schweiz, Rs. Nr. 1760/15 vom 30.04.2019; vgl. hierzu Coninx, 2019, S. 404 ff.; Aebersold et al., 2024, Rz. 177).

Nach einem längeren Gesetzgebungsprozess mit verschiedenen Vorschlägen zur Umsetzung der Motion (Ege, 2024) wurde die Verwahrung im Jugendstrafrecht vom Ständerat und Nationalrat in der Sommersession vom 14. Juni 2024 beschlossen (Nationalrat AB 2024 N 1347, Ständerat 22.091-1, Ref. 6634). Danach kann ab Inkrafttreten der Reform die Verwahrung in zwei unterschiedlichen Konstellationen angeordnet werden: Eine Verwahrung ist nach Art. 19c des Änderungsgesetzes zum Jugendstrafgesetz vom 14. Juni 2024 möglich, wenn ein inzwischen Volljähriger als Jugendlicher nach dem 16. Geburtstag einen Mord begangen hat und daraufhin in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht wurde und «bei Wegfall der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung oder am Ende des im Anschluss an diese Massnahme vollzogenen Freiheitsentzugs ernsthaft zu erwarten ist, dass er erneut einen Mord (Art. 112 StGB) begeht». Die zweite Variante für die Anordnung der Verwahrung findet sich in Art. 27a des Änderungsgesetzes zum Jugendstrafgesetz vom 14. Juni 2024. Danach erfordert die Anordnung der Verwahrung einen Vorbehalt der Verwahrung nach Art. 25a des Änderungsgesetzes zum Jugendstrafgesetz vom 14. Juni 2024, der wiederum voraussetzt, dass der Jugendliche einen Mord begangen hat, dafür zu einem Freiheitsentzug von mindestens drei Jahren verurteilt wurde, keine Unterbringung nach Art. 15 JStG angeordnet worden war und der Jugendliche als «schwerwiegende Gefahr für Dritte» eingestuft wurde. Wenn dieser Vorbehalt während des Freiheitsentzugs nicht aufgehoben wurde und «bei Beendigung des Freiheitsentzugs ernsthaft zu erwarten ist, dass der verurteilte Jugendliche erneut einen Mord (Art. 112 StGB) begeht», kann die Verwahrung angeordnet werden.

Jugendstrafrechtswissenschaft und -praxis kritisieren, soweit ersichtlich, einhellig die Einführung der Verwahrung in das Jugendstrafrecht (vgl. Queloz in diesem Band m.w.N.). Die Einführung der Verwahrung stellt in der Tat einen grundlegenden Systembruch dar und widerspricht dem Erziehungs- und Schutzgedanken des Jugendstrafrechts (Ege, 2024, S. 726; Queloz in diesem Band). Es bleibt absolut unverständlich, wie eine nicht empirisch begründete Sorge zu einer solch weitreichenden Gesetzes- und Systemänderung führen konnte, die man durchaus als Einzelfallgesetzgebung kritisieren kann. Selbst im Anlassfall für die Motion Caroni und das anschliessende EGMR-Urteil hat sich die befürchtete Gefährlichkeit des jungen Erwachsenen nicht bewahrheitet. Prognosen über die zukünftige Gefährlichkeit junger Menschen sind aufgrund noch dünnerer Datenlagen als bei Erwachsenen aus wissenschaftlicher Sicht besonders herausfordernd (so auch Coninx, 2019, S. 417 f.), die Prognose der Begehung eines bestimmten (Mord-)Tatbestandes ist nach wissenschaftlichen forensischen Standards nicht seriös erstellbar.1 Die Einführung der Verwahrung in das Jugendstrafrecht verstösst zudem gegen menschenrechtliche Standards, die eindeutig den Schutz und die Erziehung bzw. die Resozialisierung als Zielbestimmungen vorsehen.2 Dass die Möglichkeit der ambulanten Betreuung und Überwachung im Anschluss an einen übergangsorientierten zunehmend gelockerten Vollzug keine mindestens gleich geeignete Alternative ist (in diesem Sinne Coninx 2019, S. 427 f.), um als «gefährlich» geltende Jugendliche auch nach dem Jugendstraf- bzw. massnahmenvollzug zu «sichern», ist bisher nicht überzeugend begründet worden.

Kaum diskutiert worden sind bisher praktische Fragen der Umsetzung der neuen Regelungen, speziell die Frage nach deren Vollzug. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Frage, wo und wie junge Verwahrte untergebracht werden sollen. Diese hängt auch massgeblich davon ab, ob die derzeit zur Verfügung stehenden Plätze für Verwahrte auch für den Vollzug der aufgrund einer Jugendstraftat verhängten Verwahrung geeignet sind.

Die Herausforderung des Verwahrungsvollzugs für Erwachsene

Welche Herausforderungen mit dem Vollzug der Verwahrung verbunden sind, zeigt sich mit Blick auf die bestehenden Verwahrungsstrukturen für Erwachsene. Dies verdeutlicht, warum ein geeigneter Verwahrungsvollzug für Jugendliche kaum umsetzbar ist.

Institutionelle Unterbringung von verwahrten Personen

Ende 2023 befanden sich gemäss Bundesamt für Statistik 133 zu einer Verwahrung nach Art. 64 StGB verurteilte Personen – 131 Männer und zwei Frauen – in Schweizer Justizvollzugsanstalten. Die grosse Mehrheit dieser 133 Personen, nämlich 95, besitzt die Schweizer Staatsbürgerschaft und war zum Stichtag älter als 45 Jahre (Bundesamt für Statistik, 2024b).

Diese Merkmale haben sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert, wobei die Gruppe der über 60-Jährigen stark zugenommen hat (vgl. Abb. 1).

Abb. 1. Mittlerer Insassenbestand (Art. 64 StGB) nach Altersgruppe3

Während sich in Deutschland die Unterbringung von verwahrten Personen, wie vom UN-Menschenrechtsausschuss und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gefordert, durch die Einhaltung des «Abstandsgebots» von der Haftstrafe unterscheidet (vgl. Kinzig, 2010; kritisch Coninx, 2024), wird in der Schweiz die Verwahrung gemäss Art. 64 Abs. 4 StGB im sogenannten Normalvollzug in einer Massnahmenvollzugseinrichtung oder in einer Strafanstalt nach Art. 76 Abs. 2 StGB vollzogen.

Sowohl auf kantonaler als auch nationaler Ebene gibt es jedoch eine Reihe von Empfehlungen, die eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Personen in der Verwahrung fordern. Bereits 2008 empfahl beispielsweise das Ostschweizer Strafvollzugskonkordat, der «besonderen Situation» dieser Gefangenenpopulation Rechnung zu tragen und ihr «so viele Freiheiten wie möglich» innerhalb der Justizvollzugsanstalt zu gewähren, da «fehlende Perspektiven dazu führen [können], dass diese sich selbst oder Dritte gefährdet, weil sie keinen Sinn mehr sieht bzw. nichts mehr zu verlieren hat» (Ostschweizer Strafvollzugskommission, 2008, S. 2). Im Jahr 2013 wurde im Rahmen der interkantonalen Anstaltsplanung der Schweizer Strafvollzugskonkordate argumentiert, dass es angebracht wäre, spezielle Abteilungen für diese Gefangenenpopulation einzurichten, oder gar eine besondere Anstalt zu schaffen (Strafvollzugskonkordate der Schweiz, 2014). Das Bundesamt für Justiz empfahl 2016 explizit die Bereitstellung grösserer Zellen (d.h. mehr als 12 m2) für Personen in der Verwahrung (Bundesamt für Justiz BJ, 2016). 2023 veröffentlichte das Strafvollzugskonkordat Nordwest- und Innerschweiz ein Merkblatt mit weiterführenden Empfehlungen zum Vollzug der Verwahrung unter besonderer Berücksichtigung des vollzugsrechtlichen Normalisierungs- und Entgegenwirkungsprinzips (Strafvollzugskonkordat Nordwest- und Innerschweiz, 2023).

Die letzte systematische Erhebung zur Platzierung von verwahrten Personen stammt aus dem Jahr 2016. Zu dem Zeitpunkt befanden sich 85% der zu einer Verwahrung verurteilten Personen in einer geschlossenen Justizvollzugsanstalt (KKJPD, 2017). D.h. obwohl verwahrte Personen zu einer (präventiven) Massnahme verurteilt wurden, werden sie aufgrund von Sicherheitsbedenken fast ausnahmslos in einer geschlossenen Anstalt untergebracht, wo sie unter denselben Bedingungen leben wie inhaftierte Personen, die eine reguläre (endliche) Freiheitsstrafe verbüssen.

Da jedoch die meisten von ihnen im Vollzug alt werden und entsprechend im Normalvollzug nicht mehr adäquat betreut werden können, werden viele der verwahrten Personen früher oder später in einer speziellen Abteilung für ältere und kranke Inhaftierte untergebracht, wo die Haftbedingungen als «lockerer» gelten. In diesen Spezialabteilungen – wie beispielswiese die Abteilung 60plus in der JVA Lenzburg mit zwölf Haftplätzen, oder die Abteilung Alter & Gesundheit der JVA Pöschwies für 30 Gefangene – gelten längere Zellenöffnungszeiten und eine reduzierte Arbeitsbelastung, wobei die Arbeit «gemäss Art. 81 StGB […] zugunsten rehabilitativer, sozialer und freizeitorientierter Aspekte in den Hintergrund treten» (JVA Lenzburg, 2014, S. 50) soll. Diese Abteilungen richten sich jedoch nicht ausschliesslich an ältere inhaftierte Personen, sondern allgemein an Personen mit gesundheitlichen Problemen, die – temporär oder langfristig – besonderen Schutz oder intensive Betreuung benötigen.

Solche Spezialabteilungen für ältere und kranke Personen in geschlossenen Einrichtungen werden derzeit aufgrund der stetigen Zunahme dieser Gefangenenpopulation vermehrt eingerichtet, zum einen im Zuge von Sanierungen oder Erweiterungen wie beispielsweise in der JVA Bostadel (Kanton Zug, 2023), und werden in Neubauten, wie der 2019 in Betrieb genommenen JVA Cazis Tignez, von Anfang an eingeplant (Amt für Justizvollzug Graubünden, o.D.). Eine Abteilung nach der Idee des «Abstandgebots» ausschliesslich für verwahrte Personen und somit getrennt von den übrigen Insass:innen gibt es in der Schweiz bislang erst eine. Diese wurde 2019 in der JVA Solothurn eröffnet und bietet Platz für sechs Personen (Amt für Justizvollzug Solothurn, o.D.).

Die Mehrheit der verwahrten Personen befindet sich somit nach wie vor im Normalvollzug einer geschlossenen Justizvollzugsanstalt. Sie werden weder räumlich von den (meist jüngeren) Inhaftierten getrennt, die eine reguläre Freiheitsstrafe verbüssen, noch gelten für sie besondere Vollzugsbedingungen wie längere Zellenöffnungszeiten oder geringere Arbeitsbelastung. Auch die Mitarbeitenden haben keinen spezifischen Auftrag zu erfüllen und es stehen ihnen keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung im Umgang mit verwahrten Personen. Sie müssen innerhalb vorgegebener Strukturen und mit den vorhandenen Instrumenten arbeiten. Dazu gehört etwa der Vollzugsplan, der vom Prinzip der Resozialisierung geprägt ist, obwohl weder die Entlassung noch die Wiedereingliederung in die Gesellschaft für die Mehrheit der verwahrten Personen eine realistische Perspektive darstellt.

Leben in der Verwahrung

Auf der Grundlage von ethnografischen Daten, die im Rahmen einer vom SNF geförderten Studie zum Alltag in der Verwahrung4 von einer der beiden Autorinnen zwischen 2016 und 2019 generiert wurden und für die auch Daten aus einem, ebenfalls vom SNF finanzierten, Projekt zum Thema Lebensende im Gefängnis5 unter der Leitung von Ueli Hostettler herangezogen wurden, werden im Folgenden einige Herausforderungen skizziert, mit denen sich verwahrte Personen in ihrem Alltag konfrontiert sehen.

Monotonie und sozialer Rückzug

Viele der in Altersabteilungen lebenden verwahrten Personen empfinden die Unterbringung in kleineren Gruppen primär als positiv, da sie dort mehr Ruhe erleben. Diese ergibt sich sowohl aus der Gruppengrösse und -dynamik als auch aus dem gelockerten Regime mit reduziertem Arbeitspensum. Dadurch haben die Insassen mehr Rückzugsmöglichkeiten und können ihren Tagesablauf individueller gestalten. In den Spezialabteilungen verbringen viele der dort untergebrachten Personen ihre (arbeits-)freie Zeit bevorzugt in der Zelle, die sie als persönlichen und privaten Raum erleben und nicht selten auch als «Zuhause» oder «Daheim» beschrieben.

Die Gruppengrösse sowie das bei vielen Bewohnern vorhandene Bedürfnis nach Rückzug kann jedoch auch dazu führen, dass in diesen Spezialabteilungen wenig sozialer Austausch stattfindet:

Man ist so weit weg vom Geschütz [Geschehen]. Das ist irgendwie ein Abstellgleis. […] [Hier] ist es enorm schwer, soziale Kontakte aufrecht zu erhalten […]. Es sind immer zehn Leute da, […] sie haben keine Abwechslung, nichts, es ist immer das Gleiche, tagein tagaus. Jeder hat sich eigentlich mehr oder weniger so ein bisschen zurückgezogen, […] jeder hockt bei sich in der Zelle drin. Sie bringen zum Beispiel nie vier Leute zusammen, die sich mal an einen Tisch setzen, um mal einen Jass zu spielen oder so. Für das ist die Gruppe zu klein. (Interview, Verwahrter, 11.6.2013).

In einem Kontext, in dem es grundsätzlich an Anregung und Abwechslung mangelt, wird deshalb für einige das Gefühl der sozialen Isolation in den Altersabteilungen besonders stark erlebt.

Dieser soziale Rückzug der älteren Verwahrten wird auch im Normalvollzug wahrgenommen. So schilderte eine interviewte Person, dass sich viele der älteren Verwahrten komplett zurückgezogen und jegliches Interesse am zwischenmenschlichen Austausch verloren hätten:

Viele Verwahrte hier drin, die sitzen einfach stur irgendwie in ihrer Zelle, kommen gar nicht mehr raus, haben sich total isoliert, kapseln sich ab, interessieren sich nicht mehr für Menschen, für Emotionen, [mögen] nicht mehr so Gespräche führen, so wie wir das jetzt machen. Viele Verwahrte sind eben so. Und ich weiss ja auch, dass ich verwahrt bin, und ich habe immer diese Angst, dass ich eben auch so werde. (Interview, Verwahrter, 23.3.2016).

Gründe für diesen Rückzug liegen nicht nur im (altersbedingten) erhöhten Ruhebedürfnis. Verwahrte Personen erleben aufgrund der Schwere ihrer Delikte, insbesondere wenn es sich um Sexualdelikte handelt, häufig soziale Ausgrenzung, Schikanierung und Stigmatisierung vonseiten der Mitgefangenen (s. dazu auch Crewe, 2009, S. 272). Dies kann auch dazu führen, dass gewisse Orte innerhalb der Anstalt, wie beispielsweise der Spazierhof, von diesen Personen gemieden werden.

Ein weiterer Grund liegt in der rigiden Tagesstruktur im Gefängnis, die durch Fremdbestimmung, Routine und Monotonie gekennzeichnet ist. Die interviewten Personen beschrieben, dass es kaum Ereignisse gibt, die man in Erinnerung behält, dass man «nichts erlebt», und der Gefängnisalltag somit «keine Spuren» – im Sinne von wertvollen Erinnerungen – hinterlässt, was vor allem zu «Abstumpfung» führt (Interview, Verwahrter, 23.3.2016). Der Mangel an Erlebnissen in der Anstalt sowie die Tatsache, dass die «Währung der Vergangenheit» (O‘Donnell, 2014, S. 179, eigene Übersetzung) bald einmal aufgebraucht ist, wirkt sich auch auf die sozialen Kontakten zwischen den inhaftierten Personen aus: «Manchmal sitzen wir [er und ein Mitgefangener] schweigend zusammen, weil es keine Themen gibt, über die wir reden könnten, alles ist gesagt, diskutiert worden, aus unserer Vergangenheit [...] unsere Jugend, Sport, Urlaub, Familie» (Interview, Verwahrter, 24.9.2013). Die Gefangenen sind sich einig, dass der repetitive, ereignisarme Alltag im Vollzug nicht nur ihre sozialen Beziehungen beeinflusst, sondern sich auch negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirkt:

Vielleicht liegt es an meiner momentanen Stimmung, aber ich fühle die Zeit nicht mehr. Sie kommt und geht, Tag ein Tag aus. [...] Ich sehe gewisse Situationen im Voraus, weil sie sich jeden Tag wiederholen. Es ist etwa das Gleiche, wie wenn man jeden Tag erneut auf die Playtaste drückt und das Spiel fängt von neuem an. Ich fühle mich eher als Zahnrad dieser staatlichen Maschinerie statt eines Menschen. [...] Dieser Automatismus immer das gleiche zu erleben im gleichen Tempo macht müde und zermürbt mich langsam. Neue Erlebnisse und Eindrücke sind etwas Wunderbares und für mich der Nährboden für neue Energie. Doch das fehlt mir meistens und deshalb ist es für mich so schwierig, motiviert zu sein. (Brief eines Verwahrten, 27.6.2016).

Schliesslich ist es auch die fehlende Zukunftsperspektive, auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird, die den sozialen Rückzug begünstigt. Aufgrund der Perspektivlosigkeit in Verbindung mit der Monotonie des Alltags, beschrieb eine der interviewten Personen ihren Zustand als «dahinvegetierend» (Interview, Verwahrter, 3.5.2016). Eine andere Person meinte, sie habe grundsätzlich «keine Erwartungen mehr» an die Zukunft und «mit dem Leben abgeschlossen» (Interview, Verwahrter, 23.11.2013).

Fehlende Zukunftsperspektive

Obwohl die restriktive Entlassungspraxis der Vollzugsbehörden in den letzten Jahrzehnten dazu geführt hat, dass verwahrten Personen kaum mehr entlassen werden (Bundesamt für Statistik, 2024a) und bis an ihr Lebensende in der Verwahrung verbleiben müssen und häufig auch in einem geschlossenen Setting sterben (Hostettler et al., 2016), ist die Möglichkeit der Entlassung gesetzlich verankert. Die Zukunftsperspektiven von verwahrten Personen sind somit per se ungewiss, was Raum für die Hoffnung auf eine Entlassung lässt.

Personen, die zu einer zeitlich unbestimmten Verwahrung verurteilt wurden, sind aus diesen Gründen mit ganz spezifischen «pains of imprisonment» (Sykes, 1971 [1985]) konfrontiert, die stark mit Unsicherheit, Abhängigkeit und Desorientierung verbunden sind. Während das Gefühl der Unsicherheit dem Freiheitsentzug – in der einen oder anderen Form – vermutlich inhärent ist6, nimmt es im Fall von verwahrten Personen eine besondere Form an, das sich sowohl auf ihre Zukunft als auch auf ihre Gegenwart bezieht.

Ihre tatsächlichen Chancen auf eine Zukunft ausserhalb des Gefängnisses hängen von der Entscheidung der Gerichte und der Vollzugsbehörden ab, die die Situation der verwahrten Personen auf der Grundlage von anstaltsinternen Berichten, psychiatrischen Gutachten und Empfehlungen der Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit beurteilen. Insbesondere die anstaltsinternen Berichte bzw. allein das Wissen darum, dass diese Berichte verfasst werden, wirken sich stark auf den Alltag der verwahrten Personen aus, da sie auf positive Berichte angewiesen sind, um innerhalb des Systems voranzukommen. Wie auch Crewe (2011) argumentiert, setzt die Dokumentationspraxis die inhaftierten Personen stark unter Druck, da alles, was sie tun und sagen, potenziell interpretiert und entsprechend schriftlich festgehalten werden kann: «whatever he does it will be open to interpretation. If he explodes, his report may say that he cannot cope with frustration… If he keeps his own counsel, the reports may say that he is withdrawn and cannot come to terms with his offence» (McDermott & King, 1988, S. 365; zit. in Crewe, 2011, S. 512).

Manchmal habe ich das Gefühl, hier drin musst du einfach nur funktionieren [...] Du darfst nicht krank sein, das wird bestraft. Du darfst nicht zusammenbrechen, nervlich, da wirst du bestraft. Dann heisst es: der ist ja nicht belastbar, oder. Den kann man nicht belasten. Dann wird das schon wieder negativ in die Berichte geschrieben, für eine Entlassung. Also du darfst gar nichts. Du musst nur funktionieren, funktionieren, funktionieren, arbeiten, arbeiten, arbeiten, eingeschlossen werden. Und irgendwann kommt der Punkt, wo der Körper sagt: es geht nicht mehr. (Interview, Verwahrter, 29.3.2016).

Die anstaltsinterne Dokumentationspflicht und -praxis und die damit verbundene ständige Beobachtung beeinflusst auch das soziale Klima zwischen den inhaftierten Personen. Die Interaktionen seien im Allgemeinen von dem geprägt, was eine interviewte Person als «oberflächliche Freundlichkeit» bezeichnete (Interview, Verwahrter, 3.5.2016). Eine andere Person beschrieb in einem Brief, dass sie «das Menschliche» im Gefängnis vermisse: obwohl zwar alle «höflich» miteinander umgehen, seien die Interaktionen «starr und formal», weshalb sie sich manchmal «selbst nicht mehr fühlt» (Brief eines Verwahrten, 21.11.2016).

Die Ergebnisse der Überprüfungen durch die Vollzugsbehörden werden von den verwahrten Personen nicht selten als willkürlich und widersprüchlich erlebt:

Alle Instanzen innerhalb der Vollzugsbehörde kamen zum Schluss, dass ich aufgrund meines grossen sozialen Umfelds und Netzwerks tatsächlich gut geschützt sei draussen, und die Rückfallgefahr minim sei [...] Und so sass ich etwa ein Jahr lang, oder anderthalb, praktisch auf gepackten Koffern. Bildlich gesprochen. Denn ich bin davon ausgegangen, dass ich nun in die offene Anstalt komme, […] dann sofort unbegleitete Urlaube […] und dann wurde das alles von der Fachkommission über den Haufen geschmissen. Sie sagte quasi: Schlüssel wegwerfen, gar keine Erleichterungen. […] Und so hat dieselbe Vollzugsbehörde dasselbe Argument vom grossen und guten sozialen Netzwerk draussen ins pure Gegenteil verdreht. Argumentierte, dass das grosse soziale Netzwerk von mir meine Fluchtgefahr und meine Wiederholungsgefahr viel zu sehr fördern würde (lacht). […] Und das zeigt doch, wie absurd manchmal diese Begründungen sind, da geht es doch offensichtlich nur darum, dass man etwas durchsetzen will, das einem opportuner erscheint aufgrund von Stimmungen in der Bevölkerung, aufgrund von politischen Vorgaben oder was auch immer. Darum empfinden sich viele von uns als politische Gefangene, so gesehen. (Interview, Verwahrter, 6.5.2016).

Wie Crewe (2011, S. 513) argumentiert, kann aus solchen Erfahrungen das Gefühl einer «ontologischen Unsicherheit» (Giddens, 1991) resultieren, die entsteht, wenn Menschen das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Welt um sie herum verlieren.

Zusätzlich zu der fehlenden Orientierung hinsichtlich der Anforderungen, die an sie gestellt werden und den verwahrten Gefangenen ermöglichen würden, sich verlässlich durch die Zeit in der Verwahrung zu «navigieren», haben inhaftierte Personen, die über kein konkretes Entlassungsdatum verfügen, «kein Ziel, keine Perspektive, kein Horizont» (Interview, Verwahrter, 22.3.2016).

Ich bin an einem Ort, wo ich keine Aussichten habe, keine Zukunftsperspektive. [Ich gehe einen] Weg ohne Ende. Einfach die Haltbarkeit hier, die ist datumslos. Sie können sagen: ich behalte dich so lange, wie ich möchte. Mit deiner 64er-Geschichte. Man ist in verschiedene Gefühle verstrickt, man ist wütend, man ist traurig, also je nach Zustand. Aber meistens wütend und traurig. (Interview, Verwahrter, 3.5.2016).

Der Horizont wird – zumindest in sogenannt westlichen – Gesellschaften häufig als Metapher für die Zukunft verwendet (s. Tuan, 2001 [1977], S. 123). Aus phänomenologischer Perspektive steht er für das noch nicht verwirklichte Potenzial – «the future world of the not-yet» (Meisenhelder, 1985, S. 42) – und verleiht der menschlichen Existenz dadurch Sinn. Viele der interviewten Personen gaben deshalb an, sie würden eine effektiv lebenslängliche Strafe der zeitlich unbestimmten Verwahrung vorziehen:

Das ist das, was dich einfach zermürbt und kaputt macht: Auf der einen Seite macht dir [die Behörde] wieder Hoffnung, dann siehst du wieder ein Licht und denkst: ja [eine Entlassung] könnte vielleicht trotzdem möglich sein, dann machst und tust du, und nachher kommt man wieder und sagt: ja es ist ja gut und recht, was Sie da gemacht haben, aber raus kommen Sie trotzdem nicht – hauen einem grad wieder den Hammer auf den Kopf und du bist am Boden zerstört. Und eben, dann geht es grad wieder los und man denkt: was bringt’s denn noch? […] Für mich wäre es am besten, wenn sie einfach klipp und klar sagen würden: Sie kommen nie mehr raus. Dann weisst du, woran du bist, und es braucht dieses ganze Therapiezeugs nicht und du kannst dich darauf einstellen und sagen: ok, ich verbringe den Rest meines Lebens in der Kiste, mache mir so gut es geht ein schönes Leben und fertig oder. Und das andere, ja, das kostet einfach ‘huere’ viel Kraft. (Interview, Verwahrter, 23.3.2016).

Die fehlende Zukunftsperspektive in der Verwahrung wurde auch als «psychische Folter» (Interview, Verwahrter, 11.9.2013), oder gar als «unmenschlich langgezogene Todesstrafe» (Interview, Verwahrter, 29.3.2016) beschrieben.

Die interviewten Personen verfügen über verschiedene und unterschiedliche Strategien, um mit dieser Ungewissheit und fehlenden Perspektive umzugehen, die sich auch in der Art und Weise manifestiert, wie sie die Zeit in der Inhaftierung erleben und nutzen. Während sich einige auf die Zukunft konzentrieren und weiterhin auf Entlassung hoffen, versuchen andere in der Gegenwart zu leben und sich auf den Alltag im Gefängnis zu konzentrieren (s. Marti, 2023).

Spezifische Bedürfnisse junger Verwahrter und Probleme der Umsetzung

Die beschriebenen Herausforderungen des Verwahrungsvollzugs für Erwachsene zeigen, dass tragfähige Konzepte bislang weitgehend fehlen – und wenn überhaupt, dann allenfalls für ältere oder gesundheitlich beeinträchtigte Verwahrte existieren. Eine Übertragung dieser Strukturen auf Jugendliche wäre daher nicht nur praktisch problematisch, sondern auch entwicklungspsychologisch höchst bedenklich. Junge Menschen befinden sich in einer sensiblen Phase der Persönlichkeitsentwicklung und weisen spezifische Bedürfnisse in Bezug auf Identitätsbildung, soziale Bindungen und emotionale Reifung auf, die im Vollzug berücksichtigt werden müssten. Dass junge Straftäter:innen andere Anforderungen an den Vollzug stellen als Erwachsene, wird auch im geltenden Strafrecht anerkannt: Mit der Massnahme nach Art. 61 StGB steht ein spezialisiertes Instrument zur Verfügung, das auf die Besonderheiten junger Erwachsener zugeschnitten ist. Es basiert auf der Einsicht, dass ihre Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und daher besondere pädagogische und betreuerische Rahmenbedingungen erforderlich sind (StGB BSK-Heer, Art. 61).

Neurobiologische, entwicklungspsychologische und soziale Besonderheiten junger Menschen

Junge Menschen befinden sich in einer Phase der Persönlichkeitsentwicklung, in der Identitätsfindung, soziale Bindungen und emotionale Reifung eine zentrale Rolle spielen (Seiffge-Krenke, 2021). Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass das Gehirn junger Erwachsener – insbesondere der präfrontale Kortex, der für Impulskontrolle und langfristige Planung zuständig ist – noch nicht vollständig ausgereift ist, so dass sich die kognitiven und moralischen Entscheidungsprozesse während der Adoleszenz und während des jungen Erwachsenenalters in einer kritischen Entwicklungsphase befinden (Kemme et al., 2024; Dünkel et al., 2017; Konrad et al., 2013). In dieser Phase sind junge Menschen zudem besonders anfällig für positive oder negative Anreize von aussen (Konrad et al., 2013; Kemme et al., 2024). Im englischsprachigen Raum wird auf der Basis der interdisziplinären Ergebnisse von einer Entwicklungsphase zwischen Adoleszenz und vollständigem Erwachsensein ausgegangen, die typischerweise bis Ende des dritten Lebensjahrzehnts andauert und als «emerging adulthood» bezeichnet wird (Arnett, 2000).

Konsequenzen für den Vollzug der Verwahrung

Diese Erkenntnisse bestärken zum einen das Argument, dass das Konzept der Verwahrung, die auf das Prinzip der dauerhaften Gefährlichkeit und «Untherapierbarkeit» abstellt, für Jugendliche bzw. junge Erwachsene aufgrund ihrer noch nicht abgeschlossenen Reife problematisch ist, da allein aus neurowissenschaftlicher Sicht massgebliche Veränderungen noch wahrscheinlicher sind, als bei «voll ausgereiften» Erwachsenen.

Für den Vollzug der Verwahrung an jungen Erwachsenen sind die interdisziplinären Erkenntnisse aber auch deshalb besonders bedeutsam, weil sie demonstrieren, dass junge Menschen besonders anfällig für negative, aber auch für positive Umwelteinflüsse sind.

Eine positive Folge ihrer starken Beeinflussbarkeit ist die Chance, dass Interventionen grosse Aussicht auf Erfolg haben (vgl. zu Art. 61 StGB BSK-Heer, Art. 61 Rn. 4). Ein Verwahrungsvollzug an jungen Menschen, der die positiven Entwicklungsmöglichkeiten fördern will, müsste deshalb intensive pädagogische und therapeutische Begleitungen sicherstellen. Neben schulischer und beruflicher Bildung wären gezielte Massnahmen zur sozialen Reintegration erforderlich, darunter Programme zur Unterstützung einer positiven Freizeitgestaltung, Programme zur Förderung sozialer Kompetenzen und therapeutische Interventionen. Bei jungen Menschen sind Auseinandersetzungen und der Abgleich mit der Peergroup für die Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung besonders wichtig (vgl. Rieker et al., 2016). Darüber hinaus ist es essenziell, dass sie positive soziale Bindungen aufrechterhalten und fördern können, um eine erfolgreiche Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen.

Soziale Isolation, fehlende Zukunftsperspektiven und ein Umfeld, das kaum ressourcenorientiert arbeitet, können hingegen die psychische Belastung und das Rückfallrisiko von jungen Verwahrten erhöhen. Eine Verwahrung, die vorrangig auf Sicherung abzielt und kaum Entwicklungsperspektiven bietet, birgt die Gefahr, langfristig kontraproduktiv zu wirken, die soziale Desintegration zu verstärken und damit letztlich einen zusätzlichen Risikofaktor für die Gefährlichkeit darzustellen.

Geeignete Einrichtungen für den Verwahrungsvollzug bei jungen Menschen?

Wie sich aus den Erkenntnissen zum Verwahrungsvollzug von Erwachsenen ergibt (vgl. oben), steht ein an den spezifischen Bedürfnissen junger Menschen orientierter Verwahrungsvollzug im Widerspruch zur aktuellen Praxis der Verwahrung, die primär auf Sicherung ausgerichtet ist und aufgrund der spezifischen Gegebenheiten des institutionellen Settings zu Rückzug, Desorientierung und Unsicherheit führt. Die Unterbringung junger Verwahrter in den vorhandenen – in der Regel nicht einmal auf die Verwahrung spezialisierten – Einrichtungen für verwahrte Erwachsene würde insofern gravierende Probleme mit sich bringen. Verwahrte Erwachsene sind oft älter, langzeithaftbedingt institutionalisiert und haben ein anderes Sozialverhalten als Jugendliche bzw. junge Erwachsene. Die gemeinsame Unterbringung birgt daher hohe Risiken für die soziale und psychische Entwicklung junger Verwahrter. Sie wären erhöhten psychischen Belastungen und fehlender pädagogischer Förderung ausgesetzt und aufgrund ihrer Vulnerabilität wäre der Schutz vor Gewalt, Missbrauch und negativen Gruppendynamiken besonders wichtig.

Spezialisierte Einrichtungen, die eine verwahrungsorientierte Unterbringung mit einer altersgerechten Förderung kombinieren könnten, wird es nicht geben, da aufgrund der engen Anordnungsvoraussetzungen (vgl. oben und Queloz in diesem Band) extrem wenige Anwendungsfälle zu erwarten sind. In den bestehenden Institutionen, in denen straffällig gewordene Jugendliche untergebracht werden, kann die Verwahrung nicht durchgeführt werden: Zum einen ist das Konzept der unbefristeten Sicherungsmassnahme mit den noch stärker als im Erwachsenenvollzug auf Reintegration und Freiheitsorientierung setzenden Konzepten des Jugendvollzugs nicht umsetzbar, zum anderen ist die gemeinsame Unterbringung von Kindern und Erwachsenen im Freiheitsentzug nicht zulässig (vgl. Art. 37c KRK). Zwar hat die Schweiz einen Vorbehalt zu dieser Norm erklärt, dieser bezieht sich jedoch ausdrücklich auf Ausnahmen bei kurzfristigem Freiheitsentzug oder in kleinen Haftanstalten. Im Kontext einer langfristigen und strukturell dauerhaften Unterbringung – wie sie bei der Verwahrung vorgesehen ist – greift dieser Vorbehalt nicht und kann eine gemeinsame Unterbringung von Jugendlichen mit Erwachsenen nicht rechtfertigen.

Fazit

Die Verwahrung Jugendlicher stellt nicht nur eine juristische und ethische Herausforderung dar, sondern auch eine praktische. Mit Blick auf die derzeitigen Realitäten des Verwahrungsvollzugs in der Schweiz stellt sich die zentrale Frage, ob und inwiefern die spezifischen Bedürfnisse junger Verwahrter überhaupt angemessen berücksichtigt werden können. Es fehlen geeignete Vollzugsstrukturen, die eine humane und zugleich entwicklungsfördernde Umsetzung dieser Massnahme ermöglichen würden. Die bestehenden Abteilungen, in denen Verwahrte untergebracht werden sind für ältere Erwachsene konzipiert und bergen erhebliche Risiken für junge Menschen. Zugleich widerspricht eine Verwahrung, die primär auf Sicherung und nicht auf Resozialisierung ausgerichtet ist, dem Entwicklungspotential junger Menschen. Da verwahrten Personen per Definition als «untherapierbar» gelten, fehlt es in den meisten Anstalten – zumindest formell – an einem entsprechenden Betreuungsangebot, beispielsweise im sozialpädagogischen Bereich, das die Verwahrten als ganzheitliche Personen wahrnimmt, ihre individuellen Ressourcen und Kompetenzen fördert, ihre persönliche Weiterentwicklung unterstützt und dem Gefühl der zeitlichen Stagnation entgegenwirkt, das durch das Gefängnisregime erzeugt wird. Zudem mangelt es jungen Menschen in der Verwahrung sowie allgemein mit langen Freiheitsstrafen, an der Möglichkeit, so genannte «life events» zu erleben, die ebenfalls zur persönlichen Reifung beitragen und die eigene Entwicklung fördern (s. auch Crewe et al., 2020). Schliesslich stellt auch das Leben vor der Haft eine wichtige Ressource dar, um mit der Situation der (Langzeit-)Inhaftierung zurecht zu kommen (s. Cohen & Taylor, 1972) und spielt auch bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Bei Personen, die schon in jungen Jahren straffällig geworden sind, ist diese Lebenszeit im Vergleich zu erwachsenen Inhaftierten sehr viel kürzer und fällt zudem in eine Phase, über die sie deutlich weniger Kontrolle hatten. Diese strukturellen und individuellen Faktoren können die Chancen auf eine Entlassung aus der Verwahrung weiter verringern.

Somit wird auch an der Frage des Vollzugs deutlich, dass die Einführung der Verwahrung im Jugendstrafrecht einen Systembruch darstellt, der nicht mit den Grundsätzen einer an das Kindeswohl orientierten Justiz vereinbar ist. Solange weder ein realistisches vollzugliches Konzept noch geeignete Einrichtungen für junge Verwahrte bestehen, ist die Einführung der Verwahrung im Jugendstrafrecht nicht nur rechtspolitisch fragwürdig, sondern auch praktisch unverantwortlich. Statt mit einem kaum vollzugsfähigen Instrument auf Ausnahmekonstellationen zu reagieren, wäre eine differenzierte Stärkung der bestehenden betreuerischen und therapeutischen Angebote sowie eine konsequente Orientierung an den jugendstrafrechtlichen Grundsätzen und menschenrechtlichen Vorgaben geboten.

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Anmerkungen

1Ege, 2024, S. 726 weist zudem zu Recht darauf hin, dass die Einstufung einer Tötung als Mord nicht ex ante möglich ist, so dass auch aus dogmatischer Sicht «nicht erfüllbare Anordnungsvoraussetzungen» getroffen wurden. ↩︎
2 Vgl. z.B. die Europaratsempfehlung «European Rules for Juvenile Offenders Subject to Sanctions and Measures», (Empfehlung CM/Rec(2008)11). Auf der Basis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (z.B. M gegen Deutschland (19359/04), Urt. v. 17.12.2009) ist zudem fraglich, ob die Einführung einer Verwahrung in das Jugendstrafrecht als Äquivalent zur Einführung einer «lebenslangen Freiheitsstrafe» zu verstehen wäre, die nach Art. 37 der UN-Kinderrechtskonvention gegen Jugendliche nicht verhängt werden darf. Zur guten Einführung in die Problematik insgesamt vgl. Kinzig, 2010, S. 236 ff. sowie jüngst Coninx, 2024. ↩︎
3 Bundesamt für Statistik, 2024b. ↩︎
4 https://data.snf.ch/grants/grant/159182 (zuletzt abgerufen am 20.5.2025). ↩︎
5 https://data.snf.ch/grants/grant/139296 (zuletzt abgerufen am 20.5.2025). ↩︎
6 In der Untersuchungshaft kann dies die Ungewissheit bezüglich des Urteils sein; in einer regulären Freiheitsstrafe der konkrete Entlassungszeitpunkt bzw. die Frage, ob eine bedingte Entlassung gewährt wird oder nicht. Schliesslich ist auch die Rückkehr in die Gesellschaft immer mit einem gewissen Mass an Unsicherheit verbunden. ↩︎